Midkemia Saga 03 - Die Gilde des Todes
verhinderten, daß er zusammensackte. Mit wieder klarerem Blick sah er, daß etwa sechs Gardisten Jack am Boden festhielten, während weitere nach dem schwarzen Giftring oder sonstigen Selbstmordmitteln suchten.
Nun schaute Jimmy sich um. Alle im Saal schienen wie erstarrt.
Pater Tully stand an Aruthas Seite, und Tsurani-Wachen umgaben den König. Sie spähten wachsam in alle Ecken. Alle anderen blickten auf Anita, die der kniende Arutha wie ein Kind auf den Armen hielt.
Ihre Schleier und das Gewand waren um sie ausgebreitet. Im Spätnachmittagslicht bot sie ein Bild in jungfräulichem Weiß – von dem roten Flecken abgesehen, der auf ihrem Rücken immer größer wurde.
Arutha hatte einen tiefen Schock erlitten. Er saß mit den Ellbogen auf den Knien nach vorn gebeugt und starrte ins Leere. Die anderen, die sich mit ihm im Vorgemach befanden, bemerkte er nicht. Er sah nur immer wieder die letzten Minuten der Trauung vor seinem inneren Auge.
Anita hatte gerade ihr Gelöbnis abgelegt, und Arutha lauschte Tullys abschließendem Segen. Plötzlich hatte Anitas Miene sich seltsam verzogen, und sie stolperte, als wäre sie von hinten gestoßen worden. Er hatte sie aufgefangen und merkwürdig gefunden, daß sie fiel, denn sie war von Natur aus so anmutig und behende. Er machte einen freundlichen Scherz, um die Spannung zu brechen, weil er wußte, daß sie ihr Stolpern peinlich fand. Und sie sah so ernst aus mit den schreckgeweiteten Augen und dem halb geöffneten Mund, als wolle sie etwas Wichtiges fragen. Da hörte er den ersten Schrei.
Er blickte auf und sah den Mann aus der kleinen Fensterkuppel über dem Podest hängen. Alles schien gleichzeitig zu geschehen. Die Hochzeitsgäste schrieen und deuteten nach oben, Pug rannte herbei und sprach dabei einen Zauber. Und Anita brachte es nicht fertig, auf den Füß en zu stehen, so sehr er ihr dabei auch half. Da erst bemerkte er das Blut.
Arutha vergrub das Gesicht in den Händen und weinte. Bisher war er sein Leben lang imstande gewesen, seine Gefühle zu beherrschen.
Carline legte die Arme um ihn. Sie drückte ihn an sich, und ihre Tränen vereinten sich mit den seinen. Sie war nicht von seiner Seite gewichen, seit Lyam und drei Wächter ihn von Anita gewaltsam hatten wegzerren müssen, damit die Priester und Ärzte sich um sie bemühen konnten. Prinzessin Alicia hatte sich gramgebeugt in ihre Gemächer zurückgezogen. Gardan war mit Martin, Kasumi und Vandros unterwegs, um persönlich nach den Wachen zu sehen, die Schloß und Gelände nach weiteren möglichen Eindringlingen absuchten. Auf Lyams Befehl war das Schloß innerhalb vo n Minuten nach dem Anschlag abgeriegelt worden. Nun ging der König ruhelos und stumm in dem Gemach hin und her, während Volney, Laurie, Brucal und Fannon sich leise in einer Ecke besprachen. Sie alle warteten auf den ärztlichen Befund.
Die Tür zur äußeren Halle wurde geöffnet. Ein Tsurani ließ Jimmy ein. Schwerfälligen Schrittes kam der Junge herbei, denn seine Beine wiesen schmerzhafte Schürfwunden auf, und seine Knöchel waren obendrein verstaucht. Lyam und die anderen blickten ihn an, als Jimmy vor Arutha stehen blieb.
Der Junge versuchte zu sprechen, doch er brachte keinen Laut hervor. Wie Arutha hatte er jeden Augenblick des Anschlags wieder und immer wieder im Geist nacherlebt, während ein Akolyth von Nathans Orden seine Beine verbunden hatte. Seine Erinnerung hatte ihm arg zu schaffen gemacht, wenn er abwechselnd Aruthas Gesicht sah, wie es ihn angeblickt hatte, als der Fürst vor Tagen über ihre Freundschaft gesprochen hatte; und dann wie er kniend Anita in den Armen hielt und der Schock seine Züge gezeichnet hatte. Und zwischendurch schob Anitas Bild sich vor sein inneres Auge: Anita auf dem Weg zur Anprobe ihres Hochzeitsgewandes. Dieses Bild schwand, und er sah Arutha sie behutsam auf den Boden legen und die Priester an ihre Seite eilen.
Arutha blickte zu ihm auf, und wieder versuchte Jimmy zu sprechen. Die Augen des Fürsten richteten sich auf ihn, und er murmelte stockend: »Oh – Jimmy… Ich – habe dich dort gar nicht gesehen.«
Jimmy las den Schmerz und das Leid aus den dunkelbraunen Augen und spürte etwas in sich zerbrechen. Wider Willen glänzten Tränen in seinen Augen, und er flüsterte: »Ich – ich versuchte…« Er schluckte schwer. Etwas schien ihm die Kehle zuzuschnüren. Seine Lippen bewegten sich stumm. Schließlich würgte er: »Es – es tut mir leid.« Plötzlich kniete er vor Arutha.
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