Milchmond (German Edition)
jetzt alle fragend anschauten. Sie ließ sich keine Sekunde Unsicherheit anmerken und antwortete: »Ja, das sehe ich ganz genau so!« Fest blickte sie Chris in die Augen. Der setzte gleich mit der nächsten Bemerkung nach, »also setzt du dich mit diesem Typen in Verbindung und versuchst etwas rauszukriegen, okay?«
Jetzt brach ihr doch leicht der Schweiß aus. Unbeirrt bestätigte sie mit einem Kopfnicken. Chris schien zufrieden und wandte sich wieder an alle. »Und dann hätte ich noch.... « Mist, sie musste sich mehr konzentrieren!, schalt sie sich. Bei diesen Sitzungen musste man hellwach sein. Fehler wurden nicht gerne toleriert. Sie nahm sich vor Rita zu fragen, mit welchem Typen sie Kontakt aufnehmen sollte. Bei ihr ging sie kein Risiko ein. Sie mochte sie gern und hatte das Gefühl, dass bei Rita kleine Geheimnisse gut aufgehoben waren.
Im Allgemeinen musste man da eher vorsichtig sein. In den Redaktionen gab es nicht selten kleine Intrigen und Gemeinheiten. Wer vorankommen wollte, konnte nicht auf seine Ellbogen verzichten.
Endlich ging auch diese Sitzung zu Ende. Am Schluss, als alle aufgestanden waren, kam Chris auf sie zu. »Donnerwetter, du bist ja wirklich multitaskfähig. Ich hätte schwören können, dass du mit deinen Gedanken vorhin ganz woanders warst. Du scheinst aber trotzdem, zuhören zu können. »Wenn der Agent von der Tennislady nicht mitspielt, versuch es über Matze, der hat gute Kontakte zur Szene!« Chris nickte ihr aufmunternd zu und verließ den Raum. Hinter ihm her wehte mit geschäftigem Blick Veronika, die Neue.
Puh, Glück gehabt. Nun hatte ihr Chris doch noch das Stichwort geliefert und sie konnte sich den Rest zusammenreimen. Sie sollte mit dem Agenten reden, wegen eines privaten Interviewtermins mit dieser Russin, die in letzter Zeit von sich reden gemacht hatte und im Begriff stand, eine der ganz Großen im Tennisgeschäft zu werden.
Seit sie aus dem Urlaub zurückgekommen waren, hatte sie Tobias nur zwei Mal gesehen. Sylvia hatte arbeitsmäßig gleich wieder voll einsteigen müssen. Da Claudine und Manni aus ihrer Abteilung krank waren, mussten deren Aufgaben von den anderen mit übernommen werden. Die letzten beiden Wochenenden war sie auf Sportveranstaltungen gewesen.
Heute Abend, es war Mittwoch, hatte Tobias sie in sein Loft eingeladen. Er hatte versprochen, etwas Schönes zu kochen. Sie wollten sich einen netten Abend machen. Deshalb hatte sie die Mittagspause im Büro verbracht und nur ein belegtes Brötchen gegessen.
Tobias kochte recht gut, jedenfalls besser, als sie selbst. Was auch nicht allzu schwer war, wenn man es genau betrachtete. Allerdings war es ungewöhnlich, dass er sich mitten in der Woche die Mühe machte. Das kam ihr schon ein wenig seltsam vor und sie überlegte, ob es einen Grund geben könnte?
Ihr Blick fiel auf den Kalender: Vierundzwanzigster Januar. Sie dachte nach, schaute noch einmal in ihren Terminplaner, fand aber keinen Eintrag für das heutige Datum. Ob er wieder mit dem Thema Zusammenziehen anfangen würde? Sie befürchtete es fast. Ihr war unbehaglich zumute, und sie beschloss, sich für diesen Fall einen Plan zurechtzulegen.
Obwohl sie einen Schlüssel besaß, klingelte sie und streifte noch rasch das Einwickelpapier des Orchideentopfes herunter. Tobias öffnete die Tür. Er breitete seine Arme aus und sie umarmten sich. »Warum klingelst du? Hast du deinen Schlüssel vergessen?«
»Nein, aber ich dachte mir, wenn man als Gast zu einem schönen Abendessen eingeladen wird, dann sollte man sich auch wie ein Gast benehmen. Bitte sehr!«, mit diesen Worten überreichte sie ihm die weiße Orchidee und trat an ihm vorbei in den Flur. Betörende Düfte wehten vom Küchenblock heran.
Tobias half ihr beim Ablegen des Kaschmirmantels. Sie trug zur Feier des Tages das schwarze Cocktailkleid, das ihre schlanke Figur ausgezeichnet betonte. Die Schlichtheit des Schnittes brachte ihr reizvolles Gesicht mit der flotten Kurzhaarfrisur und den hoch angesetzten Wangenknochen umso mehr zur Geltung. Das Kleid war vorn hochgeschlossen, ließ dafür aber den Rücken frei.
Tobias hatte sich die Ärmel seines schwarzen Oberhemdes hochgekrempelt und sich einen Vorstecker vor den Bauch gebunden. Der freistehende Herdblock mit der wuchtigen Edelstahl-Abzugshaube darüber, ließ weiße Dämpfe empor kräuseln. Der Duft von Geschnetzeltem Zürcher Art lag in der Luft.
Der Esstisch aus
Weitere Kostenlose Bücher