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Milchmond (German Edition)

Milchmond (German Edition)

Titel: Milchmond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Loose
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alle sehr stark und tapfer sein. Was immer die Zukunft für uns bereithalten mag, eines will ich dir zum Schluss noch sagen: Danke für die wundervollsten und glücklichsten Wochen meines Lebens, die du mir geschenkt hast. Du bist ein wundervoller Mann, der es verdient, eine Frau zu finden, die ihm das gibt, was er sich berechtigterweise wünscht. Kann ich es wegen der Umstände nicht sein, dann wirst du eine andere finden, da bin ich ganz sicher.
   Reserviere mir bitte einen kleinen Platz in deinem Herzen und pass gut auf dich auf!

In Liebe deine Julia  

Kapitel 22
     
     
    Wie die vielen Male zuvor, die sie schon auf Föhr Ferien gemacht hatten, so fanden sie auch diesmal wieder die Ferienwohnung auf der Westseite der Insel so blitzsauber und freundlich hell, wie immer, vor. Hier schien die Zeit still zu stehen. Während der Fährüberfahrt von Dagebüll nach Wyk überkam Julia immer das beglückende Gefühl, alle Sorgen und Kümmernisse des Alltags auf dem Festland hinter sich zurücklassen zu können.
   Die Wohnung war in Wirklichkeit die Hälfte eines Reet gedeckten Doppelhauses mit Garten. Die kleinen Räume waren weiß gestrichen und viele farbige Dekorelemente schafften freundliche Tupfer. Eine schneeweiß gestrichene, schmale Holztreppe mit wunderschön gedrechseltem Geländer wand sich s-förmig vom kleinen Flur aus nach oben, wo die drei Schlafzimmer und das Bad untergebracht waren. Dieses Haus strahlte beschützende Beständigkeit aus, und der pflegeleicht angelegte Garten und die mit Teakmöbeln und Strandkorb möblierte Terrasse luden tagsüber zum Verweilen ein.
   Ein steter Wind trieb die Wolken ostwärts auf das Festland zu. Bei ihren täglichen Spaziergängen konnte Julia den Rollstuhl mit leichter Hand über die schmalen Straßen an friedlich grasenden Kühen vorbei schieben. Am meisten beeindruckte sie die Stille auf dieser Insel, die für Hamburger Ohren unglaublich kompakt schien. Nachts war überhaupt kein Geräusch zu vernehmen, tagsüber nur der Wind, das gelegentliche Muhen der Kühe und das Kreischen einer Möwe. Sie verbrachten die Tage mit Spazierengehen, Lesen, Fernsehen und spärlichen Gesprächen. Allabendlich zog es sie zum Betrachten des Sonnenunterganges an den Deich von Dunsum, einem kleinen, nicht weit entfernt gelegenen Ort an der Westküste der Insel.
   Sie liebten dieses einzigartige Schauspiel des Föhrer Sonnenunterganges. Hier schien der Abendhimmel eine ganz spezielle Tönung anzunehmen. Julia war sich sicher, diese unverwechselbare Himmelsfärbung aus hunderten von Fotos identifizieren zu können.
   Der glutrote Ball der Spätsommersonne war vor wenigen Sekunden unter der Horizontlinie des Wattenmeeres abgetaucht. Nun schillerten silberblank einzelne Wasserinseln und ein Priel im weitgehend trocken gefallenen Meeresboden.
   Möwen schwebten majestätisch über dem Ganzen. Rotbeinige Austernfischer liefen geschäftig pickend den wellenförmig gemusterten Schlickboden auf der Suche nach Nahrung ab. Halblinks blinkte einsam der Leuchtturm von Sylt herüber. Die hohen Kräuselwolken verliehen dem dunkelviolettblauen Himmel das Aussehen einer ineinander verschobenen Tischdecke. Die Vielzahl der Farbtöne schmeichelte dem Auge des andächtigen Betrachters und schuf eine wehmütige Nachdenklichkeit. 
   Sie fuhren fast jeden Abend hierher und standen auf dem Deich, um dieses Naturschauspiel genießen zu können. Wortlos verharrten sie auf der Deichkrone, mal allein, mal mit anderen Urlaubern, die auf dieselbe Idee gekommen waren. Viele der Zuschauer saßen dann beobachtend, auf ausgebreiteten Decken an der Deich-Böschung. Diese Momente schufen innige Vertrautheit und eine Ahnung von Weite und Ewigkeit - das Meer schien seufzend den Atem anzuhalten. 

Julia war das Herz schwer. Seit sie vor einer Woche den Brief an Tobias geschrieben und abgeschickt hatte, war etwas in ihr zerbrochen. Sie wusste, dass er verletzt, enttäuscht und böse sein würde. Sie war überzeugt davon, reinen Tisch machen zu müssen, um Jörg die Kraft und Zuversicht geben zu können, die ein Mann in seiner Situation, ihrer Meinung nach, dringend benötigte.
   Seit ihrer Ankunft auf der Insel hellte sich Jörgs Stimmung tatsächlich auf. Allerdings ging er allen unangenehmen Gesprächsthemen konsequent aus dem Weg. Über seine Krankheit oder ihre Trennungsabsicht wollte er nicht reden, sondern bemühte sich so zu tun, als ob alles so wäre wie immer. Das machte ihr zu

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