Miles Flint 01 - Die Verschollenen
nickte, vergewisserte sich, dass er die Tür sicher geschlossen hatte, und trat weiter in den Raum hinein. Der Ingwergeruch war noch stärker als zuvor, und seine Augen fingen an zu tränen.
»Es tut mir Leid«, sagte Flint auf Englisch. »Ich habe noch einige Informationen für Sie überprüft.«
Der Dolmetscher wiederholte Flints Worte auf Rev, und er fing beinahe gleichzeitig mit Flint an zu sprechen. Dennoch konnte Flint genug von seinen Worten verstehen, um festzustellen, dass der Mann seine Arbeit gut machte. Von diesem Moment an musste Flint sich keine Sorgen mehr über die Korrektheit der Übersetzung machen.
»Haben Sie die Frau hergebracht?«, fragte der Rev.
»Ich muss erst den Vollzugsbefehl sehen«, entgegnete Flint.
Der Rev drehte sich zu einem seiner Kameraden um, dem anderen, bei dem kein Emotionskragen zu sehen war. Sein linker oberer Arm glitt über seine Robe, griff an der Seite hinein und zog ein Stück gezahnter Revinaseide hervor, das er Flint überreichte.
Flint hatte schon früher Rev-Dokumente wie dieses gesehen. Die Revinaseide funktionierte wie der Bildschirm eines veralteten Palmtops. Die Rev hatten ihm schlauerweise die englische Version des Vollzugsbefehls gegeben, die Flint nun eingehend studierte.
Das angefügte Bild zeigte eine schmalere, spröder aussehende Version der Frau, die er in der Dekontaminationsabteilung gesehen hatte. Sie sah heute keinen Tag älter aus; offensichtlich hatte sie einige recht kostspielige Modifikationen vornehmen lassen.
Flint fand es merkwürdig, dass jemand, der auf der Flucht vor den Rev war – wieder warf er einen Blick auf den Vollzugsbefehl – sich sieben Jahre lang nicht gemüßigt gesehen hatte, sein Aussehen zu verändern.
»Der Name hier ist der, den Sie schon vorhin benutzt haben«, sagte er zu dem Rev. »Ekaterina Maakestad.«
»Ja«, bestätigte der Rev. »Ich dachte, dieser Punkt wäre inzwischen klar.«
»Wir haben niemanden dieses Namens in Armstrong.«
»Dann hat sie ihn geändert«, sagte der Rev.
»Der Vollzugsbefehl ist unspezifisch«, entgegnete Flint. »Er verlangt lediglich, dass wir sie für einen unbestimmten Zeitraum in Ihr Gewahrsam übergeben. Was hat sie getan, und was wird aus ihr werden?«
Der zweite Teil der Frage war ungewöhnlich, und das wusste Flint. Trotzdem stellte er die Frage so und hoffte, dass der Rev ohne Zögern antworten würde.
»Sie wird in eine Strafkolonie überführt werden«, erklärte der Rev. »Wir haben inzwischen etliche für Nicht-Rev. Die Arbeit ist leichter und der schwächeren Konstitution der Menschen besser angepasst. Sie wird zehn bis zwanzig Jahre für uns arbeiten; das hängt von ihrer Gesundheit und ihrer Fähigkeit ab, ihren Pflichten nachzukommen. Dann wird sie, nach weiteren fünf Jahren der Einkehr, abhängig von ihrem Verhalten von Revnata und all ihren Satelliten verbannt werden.«
Gemessen an der Rechtssprechung der Rev war dies ein eher mildes Urteil. Der Dolmetscher wusste das ebenfalls, wie Flint aus dem Seitenblick schloss, mit dem der Mann ihn beäugte.
»Sie suchen sie seit langer Zeit«, sagte Flint, »und doch scheint es, als hätte sie kein großes Verbrechen begangen.«
»Der Fall ist wichtig«, erwiderte der Rev. »Sie ist ein Beispiel dafür, was in der Beziehung zwischen unseren Völkern schiefgehen kann.«
Ohne Zweifel hatte irgendein Rev genau diese Worte als Argument vor dem Multikulturellen Tribunal vorgebracht und gewonnen.
»Also, was hat sie getan?«
»Ihr Verbrechen steht hier nicht zur Debatte«, erwiderte der Rev. »Sie müssen sie in unser Gewahrsam übergeben.«
Die Stimme des Dolmetschers zitterte, als er die letzten Worte aussprach, und er starrte die Emotionskragen an. Flint folgte seinem Blick. Die Kragen färbten sich fahlgelb.
Der Sprecher mochte die Ruhe bewahren, doch für seine Begleiter galt das nicht.
Flint sah sie nicht mehr an. Er wollte sich durch ihre Aufregung nicht beeinflussen lassen. Aber seine Augen tränten immer noch von dem Ingwergeruch, und seine Handflächen wurden langsam feucht.
»Ich stimme Ihnen zu«, sagte er. »Ihr Verbrechen steht hier nicht zur Debatte. Sie wurde angeklagt und nach Ihren Gesetzen für schuldig befunden, und dieses Urteil wurde von einem interstellaren Gericht bestätigt.«
Die Emotionskragen der Rev färbten sich wieder weiß.
»Aber«, fuhr er fort, »die Frau, die auf dieser Jacht gekommen ist, sagte, ihr Name sei Greta Palmer. Ihren Daten zufolge war sie nie irgendwo anders als auf
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