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Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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die Worte ewig gewartet, um dann herauszupurzeln wie blöd. Es war kein schlechtes Gefühl. Sie war noch am Leben.
    Merkwürdige grüne Augen, ahnungsvoll, als hätten sie alles schon gesehen.
    Nicht so wie Tommys Augen, nicht so sanft. Frierend stand er am Straßenrand, als sie in die Lenaustraße einbog, und er riß die Tür auf, noch bevor sie richtig in der engen Parklücke war.
    »Wo warst du denn? Du hast doch gesagt –«
    »Tut mir leid, echt.« Er war ganz kalt, als sie ihn umarmte, trug eine viel zu dünne Jacke. Auch seine Lippen waren kalt. »Ich hab irgendwie – es war noch was.«
    » Immer ist was.« Er ließ sie los.
    »Tommy – hey.« Als sie sein Gesicht berührte, drehte er sich weg.
    »Weißt du, wie lange ich gewartet hab?« Er konnte quengeln wie ein Bub. Übertrieben konzentriert guckte er nach, was im Rinnstein lag, nichts weiter, nur ein paar ausgetretene Kippen.
    »Tut mir leid«, sagte sie wieder. »Ich vergeß dauernd, nach dem Schlüssel zu gucken, jetzt mach ich das aber. Weißt du was, wir könnten im Sommer nach –«
    »Schlüssel hätte mir auch nix genutzt. Hock ich dann oben rum.«
    »Jerry ist doch da.« Sie lachte.
    »Es hätte dir ja auch was passiert sein können«, sagte er.
    »Blödsinn.«
    »Kein Blödsinn. Da hab ich mal frei und dann kommst du nicht bei.«
    »Das war ja alles nicht nötig«, sagte sie, »wenn du das mit deinen verdammten Schichten mal auf die Reihe kriegen würdest. Ich warte ja schließlich auch dauernd auf dich, weißt du?«
    Ihre Stimmen hallten in der Stille. Probeweise klimperte sie mit dem Schlüssel, der hallte auch. Sie drehte sich um; niemand zu sehen. Dunkel das Fenster im Haus gegenüber.
    »Was ist?« rief er. »Kommst du vielleicht mal? Mir ist kalt.«
    »Ist ja gut«, murmelte sie. »Mach bloß nicht so weiter.« Seufzend schloß sie die Haustür auf.

45
    Jetzt ging das Licht drüben an. Einen Moment lang war sie mit dem Mann im Schlafzimmer zu sehen; er kniete sich hin und begrüßte die Katze, während sie an der Tür stand und ihn beobachtete. Dann verließen sie das Zimmer wieder. Biggi tastete nach der Schokolade auf dem kleinen Nachttisch; man gewöhnte sich so sehr an die Dunkelheit, daß man alles erkennen konnte, sogar Theresas kleine Brille, die da lag. Drüben gingen sie jetzt wohl in die Küche, zündeten Kerzen an und tranken Wein, einander ihren Tag erzählend. Leise Stimmen nur, das Plopp des Weinkorkens und das Klappern von Besteck. Vielleicht griff er nach ihrer Hand und sie nach seiner, sie hatten sich ein bißchen gestritten vor dem Haus, doch sie hatten sich ja auch geküßt.
    Als Biggi Julia das letztemal besucht hatte, war der kleine Glastisch im Wohnzimmer noch voll von ihrem Abendessen gewesen, ein Teller mit Brot und ein Teller mit Käse. Das Messer, sie schnitt den Käse damit. Meistens aß sie, während der Fernseher lief, Teller auf den Knien, dann schlang sie das Zeug einfach herunter. Sie hatte über ihren Urlaub geredet und gehofft, daß es in Portugal Leute für sie gab, nette Männer und so weiter, Männer wie Gabriel.
    Vielleicht erzählte die Henkel ihrem Freund gerade, daß sie Gabriel Mosbach für einen Mörder hielt. Oder daß sie vorhin eine Frau verhört hatte, der sie dauernd auf die Hose und die Schuhe glotzen mußte, als wären sie zur Modenschau angetreten.
    Sie kam wieder ins Schlafzimmer, der Mann hinter ihr. Es sah aus, als umkreisten sie einander, dann hob sie plötzlich einen Arm und warf etwas quer durchs Zimmer, und Biggi zuckte zurück, denn es flog ja direkt auf sie zu. Etwas, das kaputtgegangen war, denn sie kam noch hinterher und trat Scherben zur Seite. Der Mann rieb sich die Augen.
    Das war doch dumm gewesen. Kindisch. Martin Fried hatte erzählt, wie er aus lauter Wut etwas auf den Boden geschmissen hatte, Nippes, an dem er hing. Er wollte ausgehen, strich sich die Veranstaltungen an, die ihn interessierten, zog sich um, machte sich fein und blieb dann zu Hause. Umständlich hatte er davon gesprochen, wie die Angst oder was das gewesen war, zurückgekrochen kam, wie er sich aufs Sofa setzte und wartete und dann etwas kaputt machte, ein Tierchen aus Glas.
    Biggi hatte zuhören müssen. Sie war eine gute Zuhörerin, weil sie immer bloß nickte und nichts sagte. Beim Zuhören konnte man aber ersticken, weil man es alles nicht hören wollte, das eigene Leben. Als schoben sie einen vor einen Spiegel, während sie lamentierten, bei Julia war es so gewesen, bei Theresa Jung und bei Martin

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