Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
bringen.«
Múrias eben noch zuversichtliche Miene wurde hart. »Wir dürfen die Sooderburg nicht aufgeben.«
Wenig später wiederholte sie ihre Beurteilung im Saal des Bundes und fügte hinzu: »Ergil muss an diesen Ort zurückkehren. Nur von hier aus kann er durch die Falten von Zeit und Raum zu seiner Mutter vordringen. Wenn die Achsenherren sich hier häuslich einrichten, könnte das unmöglich werden. Dann würde sich Magos’ Fluch erfüllen. Vania müsste sterben und Mirad in der Dunkelheit versinken. Ich bleibe hier. Wie steht es mit Euch, König Borst?«
Der pandorische Recke legte eine Hähnchenkeule auf seinem Zinnteller ab und ließ sich auffallend viel Zeit damit, seine Finger abzulecken. Nachdem er einen langen Blick mit seinem Adjutanten gewechselt hatte, antwortete er: »Jeder, der nicht kämpfen kann oder will, soll die Sooderburg verlassen. Seht zu, dass auch von denen, die in die Berge geflohen sind, so viele wie möglich in Sicherheit gebracht werden. Mein Schicksal soll jedoch nicht die Flucht sein. Ich bleibe hier.«
27
DER REBELL VON OSTRICH
Als die Sonne über Susan unterging, war das riesige Quallenwesen schon viele Meilen weit geflogen. Einige an »Bord« der Argo genossen das Farbenspiel am westlichen Himmel, andere hatten sich ein stilles Plätzchen gesucht und hingen ihren eigenen Gedanken nach. In der Gemeinschaft des Lichts herrschte eine melancholische Stimmung, und das lag vor allem an Ergil.
Er hatte die Steuerung der Wolkenqualle Nisrah überlassen. Der Netzling klebte irgendwo unter der Decke. So konnte sich Ergil ganz darauf konzentrieren, Trübsal zu blasen. Er vermisste Nishigo. Sein Verstand erklärte ihm unablässig, wie vernünftig es war, sie in Silmao zurückgelassen zu haben, aber sein Herz benahm sich ziemlich begriffsstutzig. Es sehnte sich nach der Prinzessin, wie er noch nie etwas herbeigesehnt hatte.
Nachdem die Sonne untergegangen war, landete die Argo auf einem Feld und schaufelte Zuckerrüben in sich hinein. Die Reisenden mussten sich in aller Eile in den vom Maul abgewandten Bereich des Rings zurückziehen. Auch das Gepäck wurde vor den Rüben in Sicherheit gebracht.
Weil Ergil nicht der Sinn danach stand, sich die Füße zu vertreten, setzte er sich auf eine der Kisten und ließ die Beine baumeln. Schekira gesellte sich zu ihm, war jedoch taktvoll genug, ihn nicht mit durchsichtigen Ablenkungsmanövern in seiner Schwermut zu behindern. Anstatt ihm mit Geplappere auf die Nerven zu fallen, zeigte sie ihm ihre Anteilnahme. Sie saß in ihrer wahren Gestalt auf seinem Knie und schaukelte ebenfalls mit den Beinen.
Etwa anderthalb Stunden später hob die Wolkenqualle wieder ab, voll gestopft bis an den Rand. Das Tier war noch nicht sehr hoch gestiegen, als Ergil unter sich ein Rumpeln bemerkte, er fühlte es mehr mit dem Gesäß, als dass er es hörte. Wie von der Brockenspinne gestochen schnellte er von seinem Sitz. Schekira wurde dabei im Bogen durch den Ring geschleudert und brachte sich mit hörbarem Brummen in eine stabile Fluglage.
»Hast du Flöhe im Hintern?«, fragte Tusan.
Ergil deutete auf die Kiste. »Da ist was drin.«
Der Stromländer grinste. »Du meinst Lebendfutter?«
»Was weiß ich! Wir haben uns vom Mazar sowieso viel zu viel Zeug aufdrängen lassen.«
Tiko, der sich gegen den sicheren Verbleib in seiner Heimatstadt und für die gefährliche Reise nach Soodland entschieden hatte, fühlte sich wohl verpflichtet, für seinen Herrscher ein gutes Wort einzulegen. »Sollte mit der Argo irgendetwas passieren, könnten wir froh sein, dass die Vorräte nicht zu knapp bemessen sind. Ich schau mal nach, was in der Kiste ist.«
Er nahm Biberschwanz, setzte die Spitze des Breitschwertes am Deckel an, hebelte ihn auf, lüpfte ihn vorsichtig und warf einen Blick in den Holzkasten. Sofort schlug er den Deckel wieder zu und wurde kalkweiß. Seine Mandelaugen waren um das Doppelte ihrer normalen Größe gewachsen, als er damit den König anstarrte.
»Was ist da drin?«, fragte Ergil argwöhnisch.
»Das schaust du dir besser selbst an.«
»Irgendetwas, das mich anspringen könnte?«
»Geh mal davon aus.«
Jener Teil von Ergils Wesen, der den Wagemut seines Bruders angenommen hatte, drängte sich vor. Er kehrte zur Kiste zurück und hob behutsam den Deckel an.
Das Erste, was er im vielfarbigen Quallenlicht sah, waren feuerrote Haare. Dann wandte sich ihm ein besorgtes Gesicht zu. Nishigos Gesicht! Im nächsten Moment schnellte
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