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Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rothe-Liermann Antonia
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drücke ihre Hand. »Es wird schon alles gut gehen«, sage ich leise. »Jetzt denken Sie erst mal nur an sich.«
    Nachdem Frau Jahn sich erschöpft in die Kissen sinken ließ, suche ich Dr. Gode und bitte um die Erlaubnis, der Patientin ein Schlafmittel verordnen zu dürfen. Ich verpetze sie nicht, erkläre nur, dass sie private Sorgen hat, die sie nicht zur Ruhe kommen lassen. Dr. Gode lobt mich und empfiehlt mir ein passendes, schonendes Medikament. Und als ich gehen will, hält er mich noch einmal auf. »Ich entschuldige mich, sollte ich Ihnen vorhin zu nahe getreten sein«, lächelt er. »Aber ich kenne eigentlich keine junge Frau, die wegen eines Kompliments an ihr Äußeres beleidigt ist.« Er grinst breit, was bitte erwartet er für eine Antwort?!
    »Schon gut«, sage ich. »Komplimente sind okay. An manchen Tagen kann man sie gut brauchen. Nur heute war ich irgendwie …« Mies gelaunt? Verkatert? Generalaggressiv? Ich weiß, er hat es nur nett gemeint.
    »Kein Problem, Frau Weissenbach.« Er lächelt immer noch. »Sagen Sie einfach Bescheid, wenn Sie ein Kompliment brauchen. Ich bin sicher, dass mir bei Bedarf immer eins einfallen wird.«
    Sag mal, Lena, flirtet der mit dir?!
    Ich mache mich eilig aus dem Staub, hole mir im Schwesternzimmer das passende Medikament und kehre zurück ins Zimmer 4. Ich gebe Frau Jahn ein Sedativum und hoffe, dass sie endlich für eine Weile zur Ruhe kommt. Meine eigenen Sorgen wirken plötzlich klein. Ich werde schon noch meine OP bekommen. Zur Not kann ich ja wirklich auf Jennys Lila-Haare-Plan zurückgreifen und mir eine so abstoßende Mähne färben, dass Dr. Thiersch aus Mitleid meinen ach-so-großen Zuspätkomm-Fauxpas verzeiht und mir zum Seelenaufbau gleich fünfzehn OPs zuteilt. Alles klar, Lena. Super Plan!
    Wer hatte prophezeit, dass man in der Chirurgie dauernd die Mittagspausen verpasst? Damals, als mir das angedroht wurde, habe ich mir die Zusammenhänge irgendwie anders vorgestellt. Dass ich keine Zeit zum Essen haben werde, weil ich mit höchster Konzentration und stahlruhigen Händen lebensrettende OPs durchführen muss – und dann erschöpft, aber zufrieden in die Cafeteria wanke, um mich kurz an den Kaffeetropf anschließen zu lassen, damit ich gleich noch mehr Leben retten kann. Stattdessen hetze ich jetzt ohne Erfolgsmeldungen nach unten, um einen Schokoriegel zu erbetteln. Nicht ganz so eindrucksvoll.
    Die Cafeteria ist fast leer. Ruben grinst mich an. »Fräulein Notfall – immer im Einsatz! Oder hast du die Pause nur aufgeschoben, um ihn zu sehen?« Ich muss kurz umschalten. Tobias. Ich erfahre, dass er auch noch nicht da war. Und das bringt meine Laune schlagartig wieder nach oben. Als sich die letzten Schwestern, die sich am Kaffeetischchen verquatscht hatten, endlich verabschieden, bleibe ich am Tresen stehen und tue, als könne ich mich nicht zwischen den Sandwiches entscheiden. Bitte, bitte, komm doch jetzt vorbei! Kannst du nicht spüren, dass ich hier bin und warte?! Ich schiebe mich am Tresen entlang, als könne ich Ruben etwas vormachen. Doch schon nach einer Minute hebt er die Sandwichplatte hinter dem Sichtschutz empor und stellt sie nach oben.
    »Jetzt kannst du sie röntgen, das erleichtert vielleicht die Entscheidung?«, grinst er. »Und dann setz dich mit deinem Brot indie Ecke und warte sittsam und still, wie es sich für eine verliebte Jungfer gehört, statt mich hier verrückt zu machen!« Für mich hört sich diese Bezeichnung nicht so gut an, aber ich tue ihm wenigstens den Gefallen und lasse seine Brote in Ruhe. Stattdessen nehme ich einen Kaffee und beschließe, ihn so langsam wie möglich zu trinken – aber zu gehen, falls sich Tobias nicht blicken lässt, wenn ich den Tassenboden erreicht habe. Zehn Minuten später ist der Kaffee kalt und ich kann die Pause nicht mehr hinauszögern.
    Ruben lehnt sich an den Tresen und sieht mich mitleidig an. »Ihr müsst so was verabreden, Lena! Oder willst du dir hier jeden Mittag die Beine in den Bauch stehen?« Nein, er hat recht. »Ich hätte es heute einfach gut brauchen können«, gebe ich zu. Ruben legt den Arm um mich. Woran liegt es, dass heute jeder Mann in meiner Umgebung bestrebt scheint, aufmerksam, liebenswürdig und mitfühlend zu mir zu sein – nur der eine nicht?!
    »Wie läuft es denn?«, fragt Ruben neugierig. Ich zucke die Schultern; so gern ich ihn einweihen würde … »Ist es sehr kompliziert?«, fragt er leise und überraschend ernst. »Du wirkst so

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