Miss Seeton und der Hexenzauber
der Meinung waren, daß Zerstreuungen wie Jägerbälle der Jugend überlassen bleiben sollten, hatten darauf bestanden, daß Miss Seeton mit ihnen dinierte, um den Dorfbewohnern ihre Einstellung zu der alten Dame vor Augen zu führen.
Die Dorfbewohner hingegen hatten ihre eigene Einstellung. Sie führten hitzige Debatten über Miss Seetons letzte Eskapade. Stan Bloomer und Mr. Welsted wurden sogar handgreiflich. Die erhabene Teufelsaustreibung hatte alle mit großer Ehrfurcht erfüllt.
Und hatten sie nicht mit eigenen Augen gesehen, wie ein Diener der grauenvollen Dämonen die Flucht ergriffen hatte, als ihm Rechtschaffenheit und Tugend zu Leibe gerückt waren? Aber diese Tatsache schien in der Aufregung über Miss Seetons geisterhafte Erscheinung – in Verkleidung eines häßlichen Wasserspeiers, wohlgemerkt – vollkommen untergegangen zu sein.
Immerhin hatte diese Person zwei junge Männer kaltgemacht und versucht, auf ihrem Regenschirm durch das Turmdach zu fliegen. – Das war nicht ganz richtig – nur einer der Männer hatte ins Gras gebissen, der andere war schon wieder auf den Beinen. – Aber das hatte er bestimmt nicht ihr zu verdanken. Miss Seetons Fürsprecher hatten einige Probleme zu erklären, wie sie auf den Turm gekommen war. Wenn sie die Trümmer der Leiter als Beweis dafür anführten, daß sie hinaufgeklettert war, wurde ihnen vor Augen geführt, daß Miss Seeton den jungen Männern mit ihrem Regenschirm im Anschlag aufgelauert haben mußte, um sie von eben dieser Leiter zu stoßen. Diejenigen, die überzeugt waren, daß sie die Flucht mit einem nächtlichen Ritt auf ihrem Schirm geplant hatte, dann aber in der Turmluke stecken geblieben war, werteten ihr eigenes Geständnis, das sie dem Vikar zugerufen hatte, als Beweis.
Sie hatte doch wortwörtlich gesagt: »Ich sitze fest«, oder nicht? Sie alle hatten das gehört. Und die Feuerwehr von Brettenden mußte ihre längste Leiter ausfahren, und Wully Boorman, dem die Höhe am wenigsten ausmachte, mußte sie da herunterhieven. Der Anschlag auf Miss Wicks’
Leben ließ Miss Seeton sogar in noch düstererem Licht erscheinen. Mrs. Blaine erzählte noch einmal von ihrem grauenvollen Erlebnis, als Miss Seeton die arme Eric bewußtlos geschlagen hatte, und zwar ohne sie tatsächlich zu berühren – sie hatte lediglich den Arm aus dem Fenster gestreckt. Jetzt war alles klar. Sie hatte ihr Cottage mit einem Zauberbann belegt, und jeder, der so tollkühn war, über ihre Schwelle zu treten, wurde unschädlich gemacht.
Diese Theorie wurde noch durch die Tatsache untermauert, daß Mrs. Blaine und Miss Nuttel am Morgen, nachdem sie ihren Verdacht ausgesprochen hatten, unter eigenartigen Umständen verschwunden waren. Sie hatten die Milch abbestellt und verkündet, daß sie einige Wochen unterwegs sein würden. Kein Mensch wußte, wohin sie gefahren waren. Daß sie ihr Reiseziel geheimgehalten hatten, machte nur allzu deutlich, daß sie aus Angst vor Miss Seetons Fluch das Weite gesucht hatten.
Auch die Polizei beschäftigte sich mit der ungeklärten Abwesenheit von Personen. Auf Anfrage schickte die Polizei von Sussex einen Mann in Mrs. Trenthornes Hotel in Rye, mit dem Auftrag, sie im Auge zu behalten. Doch er konnte nur in Erfahrung bringen, daß sie ihre Rechnung bezahlt hatte und mit unbekanntem Ziel abgereist war.
Andere Bewohner von Sussex und Kent hatten die jeweiligen Polizeistationen in Kenntnis gesetzt, daß ihre Häuser in den nächsten Wochen unbewohnt sein würden, aber keiner von ihnen hatte eine Ferienadresse hinterlassen. Die meisten gaben an, sie würden eine Rundreise unternehmen. Als diese Informationen durchsickerten, bat Delphick darum, noch einmal alles genau zu überprüfen. Dabei wurde festgestellt, daß eine ganze Reihe von Häusern, hauptsächlich in Kent, verriegelt und von ihren Bewohnern verlassen war – auch sie hatten niemanden in ihre Pläne eingeweiht. Natürlich war nichts dagegen einzuwenden, daß die Leute in Urlaub fuhren, und es gab auch kein Gesetz, das ihnen verbot, zur selben Zeit auf Reisen zu gehen, aber der Superintendent fühlte sich trotzdem irgendwie an die Vorgänge in Schottland vor etwa zwei Jahren erinnert. Zudem hatte ihm Sir George erzählt, seine Tante Bray habe eine Andeutung auf einen geheimen Ort gemacht – das alles zusammengenommen versetzte ihn ein wenig in Sorge.
Die Suche nach Miss Seetons Tunnel hatte sich als Fehlschlag erwiesen. Die ganze Küste war
Weitere Kostenlose Bücher