Miss Seetons erster Fall
Nächten, seit Miss Seetons Ankunft, besonders häufig auf Patrouille. Entschuldigung, auf Karnickeljagd gewesen sind?«
Nigel beugte sich vor: »Großer Gott, Vater – warum hast du mir das nicht gesagt? Wir hätten abwechselnd Wache schieben können.«
Sir George wich dem Blick seines Sohnes aus. »Dachte, du wärest anderweitig beschäftigt.« Nigel lehnte sich zurück.
Der Superintendent beobachtete sie interessiert. Wie ähnlich sich die beiden in mancher Hinsicht waren. Aber wenn sie schon eine heimliche Zivilgarde bilden mußten, warum hatten sie die Sache nicht gemeinsam geplant? Sir George hatte offenbar gewußt, was sein Sohn machte. Halt, nicht so rasch: vielleicht nicht gewußt, nur geahnt. Nichts war offen ausgesprochen worden. Aber warum nicht? Major General Sir George Colvenden, Bannet, Knight Commander of the Order of the Bath, Distinguished Service Order, Justice of the Peace.
Ja, J. R, das konnte es sein. Sir George hatte ein obrigkeitliches Amt. In seiner Eigenschaft als Friedensrichter konnte er zwar eine Ahnung, ja, einen Verdacht ignorieren, nicht aber tatsächliches Wissen. Was wiederum bedeutete. Miss Seetons Gerede über den Club! Ja, wahrscheinlich war Nigel ihr Informant. Und das ganze idiotische Drumherumgerede konnte nichts anderes bedeuten, als daß irgendein Freund von ihm in die Geschichte verwickelt war und sein Vater nichts davon wissen durfte. Das warf allerdings ein merkwürdiges Licht auf bestimmte Aspekte und hieß, daß man, wenn man aus dem Jungen etwas heraus kriegen wollte, ihn unter vier Augen befragen mußte. Oder sechs Augen, mit Ranger. Delphick unterdrückte ein Seufzen. Na schön, zurück zur Sache. Er wandte sich an Sir George.
»Selbstverständlich hatten wir die hiesige Polizei gebeten, ein Auge offen zu halten.«
»Klar. Braver Kerl, Potter. Aber Piksolo. Kann nicht überall sein.«
»Eben. Deshalb bin ich Ihnen für Ihr plötzliches Interesse an Karnickeln sehr dankbar. Sie sagten, Sie waren unten am Kanal?«
»Vier Autos sind über die Brücke gekommen. Fuhren den Weg rauf. Das letzte stoppte. Die verfluchten Hinkel fingen an zu zetern. Bin näher rangegangen. Hörte einen Pistolenschuß. Ehe ich rankommen konnte, plumpste der Kerl über die Mauer und rannte davon. Humpelnd.«
»Humpelnd? Na ja, hat sich vielleicht beim Runterspringen den Fuß verstaucht. Können Sie ihn beschreiben?«
»Hab’ ihn bloß von hinten gesehen, Mantel und Hut. Hab’s ihm aus beiden Läufen gegeben. Ihm den Hintern mit Schrot gesprenkelt – war an seinen Luftsprüngen zu erkennen. Ein junger Mann, den Bewegungen nach. Hat das Auto erreicht und war weg, ehe ich neu laden konnte. Rannte den Weg rauf, dem Wagen nach. Von überall kamen Leute, die sich um Miss Seeton kümmern würden. Hielt es für wichtig, den Wagen einzuholen, in die Reifen zu schießen. Fand meinen Sohn an der Dorfstraße – stieg ein und fuhr ihnen nach.«
Ihnen nach. Welche Straße jetzt? Maidstone Road nach Brettenden oder Harn Street nach Ashford? Hoffentlich wußte es der Junge. Offenbar wußte er’s. Ohne zu zögern, bog Nigel an der Gabelung halbrechts, Richtung Ashford.
Sir George kniff die Augen im Gegenwind zu Schlitzen zusammen. Schade, daß er keine Schutzbrille hatte. Wie? Oh, tüchtiger Junge. Er nahm die Sonnenbrille, die Nigel ihm hinhielt, und setzte sie auf. Sinnlos, sich hinzusetzen – wenn sie in Sicht kamen, hätte er keine Zeit, sich wieder hoch zu rappeln. Albern, dieses Wägelchen von Meg – entweder Stehen oder Liegen, vernünftiges Sitzen einfach unmöglich. Er stützte sich gegen die Rücklehne und hoffte, daß die Landstraße keine Schlaglöcher hatte.
So konnte es nicht weitergehen. Dem mußte man ein Ende machen. Wenigstens, soweit es Nigel betraf. Meg hatte gut reden – sich nicht einmischen, den Jungen seine eigene Methode probieren lassen. Und da es ihr Wagen sei, den Nigel benutze, läge die Entscheidung hauptsächlich bei ihr. Er grinste kurz, als er sich an die Logik seiner Frau erinnerte. Aber so ging es nicht weiter. Sollte Angie zur Hölle fahren, wenn sie wollte. Das war ihr Wagen gewesen, der erste von den vier, heute nacht. War am Klang zu erkennen. Schön, Angie hatte nicht angehalten, aber sie war eben dabei gewesen. Albernes Gör, Prügel wäre das Richtige. Warum zum Teufel kümmerte sich Sonia nicht um sie. Da stimmte was nicht, früher eine so nette Frau. Angie auch, nettes kleines Mädchen. Aber in letzter Zeit. Dieses junge Volk machte alles bloß
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