Mit Familienanschluß
Freude, sie anzusehen.
Mit Familienanschluß …
»Ich schlage vor«, rückte Wolters plötzlich heraus, »daß wir Fräulein Aurich bitten, zur Eingewöhnung in unsere Familie schon eine Woche vor den Ferien bei uns zu wohnen. Was haltet ihr davon?«
»Sehr gut!« sagte Walter ohne Zögern.
»Von mir aus …« Das war Gabi.
»Klasse!« Manfred war begeistert.
»Du hattest schon immer einen enormen Weitblick.«
Auch diese Bemerkung von Dorothea nahm Wolters als Zustimmung, wenngleich sie im Grunde perfide war.
»Das ist ein sehr guter Vorschlag«, meinte Eva Aurich fröhlich. »Ich komme gern. Sie sind wirklich eine nette Familie.«
Bevor Manfred einschlief, erschien Walter in seinem Zimmer. Das war so ungeheuerlich, daß Manfred sich unter der Decke zusammenrollte und bereit war, laut zu schreien.
Wenn er mich jetzt verhaut, dachte er, mache ich eine Woche lang in der Schule blau. Wegen Kindesmißhandlung! Aber Walter setzte sich nur auf die Bettkante und war ganz friedlich.
»Ich will dir einen Vorschlag machen, Manni«, sagte er leise. »Wenn du Eva mit mir fahren läßt und zu Paps in den Wagen steigst, kriegst du zwanzig Mark.«
»Du hast wohl 'ne Meise!« Manfred tippte sich an die Stirn. »Unter hundert Mark läuft da gar nichts! Wenn Eva dir das nicht wert ist …«
»Man sollte dir wirklich den Hals umdrehen«, knirschte Walter und verließ das Zimmer.
Noch drei Wochen bis zu den großen Ferien … Da konnte noch viel passieren!
III
Wenn eine kluge Frau Probleme auf sich zukommen sieht, an die sie früher nie gedacht hätte, spricht sie nicht darüber, sondern handelt in der Stille. Zwar können das die wenigsten, und es ist auch – zugegebenermaßen – sehr schwer, den Mund zu halten. Beispielsweise, wenn der Ehemann, der bisher völlig auf die konservative Linie eingeschworen war, sich plötzlich ein breitgestreiftes, supermodisches Hemd kauft und behauptet, für Italien sei gerade das von angenehmer Tragbarkeit. Und dabei weiß man sehr wohl, daß solch ein Hemd nur dazu dienen soll, einen Hauch von Jugendlichkeit zu verbreiten.
Außerdem legte sich Wolters, sonst immer auf bequemes Schuhwerk bedacht, ohne vorherige Beratung mit seiner Frau, wie sie bisher üblich war, italienische Schuhe zu, eng, vorn spitz zulaufend und in einem leuchtenden Ochsenblutrot. Dabei war ein Lehrsatz von ihm: ›Schuhe sind Laufwerkzeuge. Sie müssen bequem sein und fußkonform. Es gibt keine Latschen – es gibt nur anatomisch richtig angepaßte Schuhe!‹
Dorothea schwieg zu dem Kauf. Das war gut, denn Wolters hätte nach einem halben Tag in den neuen Schuhen nur grobe Antworten gegeben. Am Abend massierte er eine Fußcreme in die Haut und trug weite Hausschuhe. Allerdings – nach zwei Tagen konnte Dorothea die Frage nicht zurückhalten: »Hast du dich eingelaufen?«
»Was soll das heißen?« fragte Wolters überrumpelt. Er hatte gerade an die kommende Woche gedacht, die für die ›Eingewöhnung in die Familie‹ vorgesehen war. Der Tag, an dem Eva Aurich bei den Wolters den Familienanschluß proben sollte, rückte erfreulich näher.
»Ich meine die neuen Schuhe.«
»Welche neuen Schuhe?«
Man muß Männer kennen … Was eine Stunde alt ist, ist nicht mehr neu. Wolters trug die ›Italiener‹, wie seine neuen Schuhe in der Familie unter der Hand genannt wurden, nun schon zwei Tage. Nach männlichem Ermessen waren sie also uralt.
»Die du anhast«, sagte Dorothea geduldig. »Die schmalen, spitzen …«
»Ach die! Sie sind sehr bequem.« Wolters schlug elegant die Beine übereinander. Dadurch sah Dorothea nun auch, daß er seit heute neue Socken trug. Mit einem Rand aus blauen Doppelringen. »Ein guter Leisten, auf dem die Schuhe gearbeitet sind. Man schwebt nur so darin.«
»Sicherlich.«
Das Gespräch über die Schuhe war damit klugerweise beendet. Aber was waren auch die kleinen Probleme von Hermann Wolters gegen die Schlachten, die Walter schlagen mußte.
In Anbetracht der Erfahrung, daß alle großen Ferien mit der Familie eine unheimlich triste Angelegenheit waren, und von der Aussicht gequält, in einem Ferienhaus mit Schafen und Ziegen wohnen zu müssen, hatte es Walter nach großen Bemühungen endlich erreicht, daß seine Freundin Ingeborg von der Reise nach Ibiza Abstand nahm und sich bereiterklärte, Diano Marina zu akzeptieren. Allerdings nur, wenn die Familie ausgeklammert wurde und man an der Riviera ebenfalls das Leben von Paradieskindern führen konnte. Das sah Walter auch ohne
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