Mit Familienanschluß
den Wagen mit der Bühne hochfahren, leuchtete ihn unten ab und fand nichts. Aber er klapperte. Wolters, der sein Auto zum ersten Mal von unten sah, staunte über die Vielfalt an Formen, die sich ihm darbot.
»Können Sie in einer Stunde wiederkommen?« fragte Meister Müller. »Trinken Sie inzwischen ein Bierchen …«
»Die Idee ist nicht schlecht.«
Müller wartete, bis Studienrat Wolters die Werkstatthalle verlassen hatte. Dann ließ er den Wagen wieder herunter, stellte sich hinter ihn und versetzte ihm einen gewaltigen Fußtritt. »Du Mistbock!« sagte er dabei. Das war alles.
Nach einer Stunde holte Wolters sein Auto ab, setzte sich hinein, startete und fuhr zufrieden davon. Nichts klapperte mehr.
Es hängt eben alles von einer guten Autowerkstatt ab!
Weniger Probleme hatte Walter mit seinem Citroën. Er fuhr zu einer alternativen Werkstatt, sagte: »Hei!« und zog sein Hemd aus. Dann arbeiteten vier Fachmänner an seiner Karre und machten sie fit.
»Wohin geht's denn?« fragte einer.
Und Walter antwortete ohne Reue oder Gewissensqual: »Riesendemo gegen ein Atomkraftwerk. Sprengung einer Parteiversammlung … Mal im Norden, mal im Süden. Die Karre muß laufen wie 'ne Eins.«
Das tat sie dann auch. Der Motor war sowieso heimlich frisiert worden.
So stand dem also nichts mehr im Wege, daß die Familie Wolters am nächsten Tag die große Fahrt ans Mittelmeer antreten konnte. Die Koffer waren gepackt, die Post hatte ihren Nachsendeauftrag bekommen, vor allem wegen der Tageszeitung, denn Hermann Wolters war zu vielem bereit, nur nicht, auf die Lokalereignisse von Bamberg zu verzichten. Er nannte das schlicht Heimatverbundenheit.
Eine heftige Kontroverse gab es noch mit Walter, der die Kilometer bis Diano Marina mit bloßer Arschbacke, in einem Rutsch herunterreißen wollte, was Eva allerdings sowieso nicht imponierte. Und schließlich setzte sich Dorothea durch, die eine Übernachtung in Österreich verlangte.
»Nach den paar Stunden!« rief Walter.
»Denk an den Kleinen …«
Und der Kleine grinste. Seine Rolle als eigentliche Hauptperson der Ferien hatte begonnen.
Am Abend vor der Abfahrt versuchte Walter noch einmal, Ingeborg zu erreichen. Aber sie ging nicht ans Telefon. Das war auch nicht möglich, denn Ingeborg war bereits auf dem Weg an die Riviera. Sie fuhr mit dem Liegewagen nach Ventimiglia und von dort mit einem Leihwagen, dem kleinsten Fiat, den es gab, die Küstenstraße entlang.
Jeder große Einsatz bedarf einer abschließenden, übersichtlichen Zusammenfassung. Jeder Schlacht geht eine letzte Besprechung voraus. Nachdem alle Koffer, Kartons und Taschen in der Diele aufgebaut waren, um am frühen Morgen in die Autos verladen zu werden, zog Wolters den Schlußstrich unter alle Mühen.
»Also dann …«, sagte er, »aufstehen um sechs Uhr. Abfahrt um sieben. Platzverteilung: Mami, Eva und Manfred bei mir. Gabi bei Walter. Dafür übernimmt Walter für die Rücksitze noch Gepäck. Ich fahre voraus und gebe das Tempo an. Die Strecke ist bekannt, wir haben sie eingehend studiert.«
»Außerdem bist du Studienrat für Erdkunde!« sagte Gabi frech.
Wolters überhörte es. Einsatzbesprechungen sollten problemlos durchgezogen werden.
»Ich rechne mit einem großen Stau auf den Autobahnen und Straßen. Das müssen wir in Kauf nehmen, wenn wir gleich am ersten Ferientag losfahren. Aber es verringert natürlich unseren Aktionsradius. Wir werden, wie abgemacht, in den Alpen übernachten. Noch Fragen?«
Man hatte viele, aber man hielt sie zurück, denn jeder wollte ins Bett, um am Morgen munter zu sein. Walter war sehr zufrieden – die Organisation klappte. So war einmal mehr bewiesen, daß gut durchdachte Vorbereitungen schnelle Früchte tragen.
»Jetzt sage noch einer, es wäre keine gute Idee mit dem Ferienhaus an der Riviera gewesen«, meinte Wolters wohlgefällig.
Noch sind wir nicht da, dachte Dorothea. Aber sie nickte, weil Hermann sie beifallheischend anblickte. Noch haben wir fünf Wochen vor uns … auf relativ engem Raum, nicht so bequem vermutlich wie hier, mit Schafen und Ziegen, ohne Erfahrung mit den Gepflogenheiten in südlichen Ländern und ohne Waschmaschine. Vor allem aber auch ohne Übung in ›mit Familienanschluß‹. Da konnte man einiges erwarten, nachdem Dorothea beim Kofferpacken gesehen hatte, daß Muckel zwei Shorts mit blauen Streifen gekauft hatte. Sie schienen ihr reichlich klein zu sein. Wer weiß, was er noch alles in seine Koffer gehäuft hatte. Das war
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