Mit Familienanschluß
der einzige Nachteil des individuellen Packens.
An diesem letzten Abend in Bamberg lag Wolters im Bett und lernte noch ein paar italienische Sätze auswendig. Italienisch für Touristen.
»Wie komme ich zur Post? Sagen Sie mir bitte, wo bekomme ich Strümpfe? Sind Sie der Ober (Portier, Hoteldirektor, Hausdiener, Barmixer sieben)? Wo ist die Toilette für Herren (Damen)? Können Sie bitte die Bettwäsche wechseln? Ist das Kalb- oder Rindfleisch (Schweinefleisch, Lammfleisch, Hammelfleisch, Ziegenfleisch)? Ich möchte bitte ein hartes Ei (ein weiches, ein Spiegelei, ein Rührei).«
Man sieht, es waren lauter sehr nützliche Sätze.
»Wenn man Latein kann, Hasi, ist Italienisch leicht zu begreifen«, sagte Wolters und gähnte laut. »Ich helfe dir. Du brauchst dich nicht hinzuhocken und zu gackern, wenn du ein Ei kaufen willst.«
Er fand den Witz köstlich, lachte laut, kniff Dorothea mit jugendlichem Elan in den Busen und warf das kluge ›Italienisch für Touristen‹ an die Wand.
»Licht aus und schlafen!« kommandierte er. »Morgen früh kommt die Stunde der Wahrheit. Die Familie Wolters erobert die Riviera!«
In der Nacht hörte Eva Aurich in der Wohnung ein Geräusch. Sie stand leise auf, schlich durch die Wohnräume und traf auf Walter, der im Arbeitszimmer seines Vaters im Dunkeln hockte und verzweifelt die Wählscheibe des Telefons drehte.
»Laß das Licht aus!« zischte er, als Eva zum Schalter griff. »Mutter wacht sonst auf. Sie hat einen leichten Schlaf.«
»Was ist denn los, Walter?« Eva kam näher und hockte sich neben ihn. Sie trug einen dünnen Schlafanzug und roch nach Limonenseife.
»Es meldet sich niemand«, flüsterte Walter.
»Wer meldet sich nicht?«
»Wer schon! Ingeborg …«
»Was willst du denn von der? Es ist doch aus …«
»Ich wollte nur feststellen, ob ein anderer bei ihr ist.«
»Das hättest du dir früher überlegen müssen. Jetzt geht es dich nichts mehr an.«
»Gar nichts.« Walter legte den Hörer auf. »So ein Luder! – Eva, tröste mich!«
»Geh ins Bett und penne!« sagte Eva grob. »Und red nicht solchen Blödsinn!«
»Das ist kein Blödsinn, Eva!« Er tastete nach ihrem Arm und war selig, als er ihre glatte, warme Haut spürte. »Ich mag dich sehr …«
»Ich dich auch!«
»Eva!« Er wollte sie an sich ziehen, aber sie gab ihm einen Stoß.
»Stop! Mögen und – das andere, das sind zwei ganz verschiedene Dinge, Walter. Das halten wir schön auseinander.«
»Wir haben fünf tolle Wochen vor uns, Eva. Jetzt freue ich mich darauf wie ein Kind auf den Weihnachtsbaum.«
»Ich auch.« Sie dachte an Ingeborg, die jetzt schon fast in Ventimiglia war. »Hau dich hin und schlaf. Morgen wird es ein harter Tag.«
»Mit dem Gedanken an dich werde ich herrlich schlafen …«
Gemeinsam schlichen sie auf Zehenspitzen aus Wolters' Arbeitszimmer.
Um sechs Uhr früh klingelten die Wecker. Die Familie Wolters sprang aus den Betten und stürzte zu den Waschbecken und Duschen. Dorothea ging in die Küche. Wer sollte sonst Kaffee kochen?
Der erste Ferientag hatte begonnen. Der erste von vielen unvergeßlichen Tagen in der Sonne der Riviera.
V
Über das Autofahren ist schon viel geschrieben worden, über verstopfte Autobahnen und Straßen während der Ferienzeit noch mehr. Die Flüche der Fahrer können Bände füllen, die Beschimpfungen sind für einen Sprachforscher unglaublich ertragreich, denn es kommt da zu Wortschöpfungen, die geradezu abenteuerlich sind.
Auch die Familie Wolters wurde von all dem nicht verschont. Es begann schon auf der Autobahn nach München, kurz nach dem Nürnberger Kreuz, wo eine drei Kilometer lange Baustelle den bis dahin fließenden Verkehr zum Stehen brachte.
Jedes Jahr wird sich jeder Autofahrer immer wieder fragen, warum gerade zur Urlaubszeit jede Autobahn mit einer wahren Wollust aufgerissen wird. Die Autobahnbauer haben dafür eine einfache und logische Erklärung: Weil das Wetter gut ist. Bei Eis und Schnee kann man nicht bauen. Woraus man eigentlich folgern könnte, daß Autobahnen nur für den Winterverkehr gebaut werden, da sie im Sommer ja repariert werden müssen.
Ein routinierter Autofahrer sollte sich diese Erkenntnis aufschreiben und an die Windschutzscheibe kleben. Hermann Wolters, bisher in jedem Urlaub auf deutsche Autobahnen angewiesen, kannte sich da aus. Als der Verkehr hinter Nürnberg zum Erliegen kam, schimpfte er nicht, sondern gab den von Dorothea gut gefüllten Eßkorb für das erste Picknick frei. Es war
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