Mit Haut und Haar (German Edition)
du, sie war ja auch eine gute Freundin für mich«, murmelte sie, während sie die Wimpern ihrer Tochter tuschte.
Charlotte begutachtete sich im Spiegel. »Ja, so sieht das gut aus«, sagte sie zufrieden. Sie sah ihre Mutter an. »Was heißt irgendwie schon?«
Clarissa zuckte mit den Schultern.
»Ich hab keine Ahnung, Liebling. Sie hat mir in dieser Zeit sehr viel bedeutet, ja. Es ging mir schlecht und sie hat mir geholfen. Durch sie ging es mir plötzlich wieder gut.«
»Es ging dir so schlecht wegen Papa, nicht? Weil er eine Freundin hatte?«
Clarissa nickte.
»Warum hast du dich nicht scheiden lassen, als du das rausgekriegt hast?« Damian lehnte in der Badezimmertür, wie Clarissa feststellte, aber er wirkte auch sehr interessiert an den Antworten zu den Fragen, die seine Schwester gerade stellte.
»Ich weiß nicht, Charlotte, ich hab ihn einfach noch viel zu sehr geliebt.«
Sie holte tief Luft. »Ich liebe euren Vater sehr, und er ist ein guter Mann. Deswegen bin ich geblieben.«
»Wenn er ein guter Mann wäre, dann wäre er aber nicht fremd gegangen«, sagte Charlotte. Ihr Blick wirkte finster.
»So einfach ist das nicht, Kind.«
»Dann erklär mir das mal.«
»Dafür gibt es keine Erklärung die jemand verstehen könnte, der nicht mittendrin steckt, Charlotte.«
»Versuch es doch einfach mal, vielleicht verstehe ich es ja!«
Clarissa griff nach Charlottes Hand und verließ mit ihr das Badezimmer. Auf dem Weg zum Bett zog sie auch Damian an der Hand hinter sich her. Sie setzten sich nebeneinander auf das Bett und Clarissa hielt die Hände ihrer Kinder und starrte nachdenklich zu Boden.
»Wir sind seit vielen Jahren zusammen«, sagte sie. »In unseren ersten Jahren miteinander hatten wir viel Spaß, wir sind oft weggefahren und haben gerne mal verrückte Dinge getan. Dann haben wir geheiratet und nacheinander seid ihr beiden auf die Welt gekommen. Uns hat irgendwie der Alltag eingeholt. Papa war damit beschäftigt, Karriere zu machen und ich war mit euch Kindern und dem Haushalt beschäftigt.«
»Und warum bist du nicht arbeiten gegangen?« fragte Damian. »Dann wärest du nicht immer so alleine zu Hause gewesen. Vielleicht warst du auch immer zu bequem für Papa.«
»Damian, ich bin Krankenschwester. Als ihr beide alt genug wart, dass ich wieder hätte arbeiten gehen können, hätte mich kein Krankenhaus mehr eingestellt. Das einzige was ich hätte tun können, wäre Altenpflege gewesen, da hätte man mein Examen vielleicht noch anerkannt. Ich war einfach zu lange aus dem Beruf.« Sie holte tief Luft. »Aber wisst ihr, die Frage hat sich irgendwie nie gestellt, Papa fand es gut, dass wir es uns leisten konnten, dass ich zu Hause bleibe. Es war ihm wichtig, dass ihr nicht euch selbst überlassen seid, sondern immer einen Ansprechpartner habt.«
»Und wenn er das alles so gut fand wie es war, warum hat er sich dann eine Freundin gesucht?«
»Naja, wie ich schon sagte, der Alltag hat uns eingeholt. Jeder hat sich auf seine eigenen Aufgaben konzentriert und wir haben die Gemeinsamkeiten aus den Augen verloren.«
»Aber ihr habt euch geliebt.«
Clarissa nickte. »Immer, Charlotte, immer. Ich habe in keiner Minute an meiner Liebe zu eurem Vater gezweifelt, sie war immer da. Sie war nur anders geworden. Und vielleicht hatte diese andere Frau deswegen eine gute Chance euren Vater rumzukriegen.« Sie seufzte. »Wisst ihr, sie war jünger als ich, sie stand im Berufsleben, sie war eine aktive Frau oder ist es noch. Sie hat ein Auge auf ihn geworfen und ihn umgarnt nach allen Regeln der Kunst. Ich denke, da ist Papa aufgefallen, dass sich bei uns was verändert hat, wahrscheinlich hat er darüber früher nicht nachgedacht, so wie ich auch. Plötzlich war ihm klar, dass bei uns alles so normal geworden war, so selbstverständlich.«
Sie lachte.
»Wisst ihr, ich liebe euren Vater mit all seinen kleinen Fehlern die er hat. Bei mir musste er sich nicht mehr anstrengen, ich habe ihn sowieso geliebt. Bei der anderen Frau, da musste er sich beweisen. Ich weiß dass das dumm klingen mag für euch, aber so war es wohl. Liebe darf nie selbstverständlich werden.«
»Du meinst also, Papa hat dich nicht mehr zu schätzen gewusst.«
Es war mehr eine Feststellung als eine Frage ihres Sohnes gewesen, und er sah sie sehr ernst an. An diesem Abend fiel ihr wieder einmal auf, wie erwachsen die beiden geworden waren, speziell ihr Sohn.
»Vielleicht ist das so, ja. Aber dann hätte er mich beinahe verloren wegen
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