Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa (German Edition)
Kurzarbeit.
Das KAM muss auch für Klein- und Mittelbetriebe praktikabel sein, gleichzeitig ist Prävention gegen Missbrauch vorzusehen.
Die Nettoeinkommen der KurzarbeiterInnen werden von der staatlichen Arbeitsagentur gestützt und zwar auf eine solche Weise, dass diese nur um maximal 25 Prozent geringer sind als ihr Normaleinkommen (bei extremer Verkürzung der Arbeitszeit um mehr als 50 Prozent).
Das Nettoeinkommen sinkt stark unterproportional mit der Reduktion der Arbeitszeit (im Gegensatz zur bisherigen Regelung in Österreich, wo der Nettolohn etwa in der Metallbranche bei 90 Prozent liegt, egal ob die Arbeitszeit um 20 oder 60 Prozent gesenkt wird).
Eine solche Reform würde Kurzarbeit in nahezu allen Ländern für die Unternehmer billiger und für den Staat teurer machen (auch wenn man das ersparte Arbeitslosengeld berücksichtigt). Letzteres gilt aber nur in kurzfristig-buchhalterischer Betrachtung. Längerfristig sind die Kosten einer anhaltenden Spaltung der Gesellschaft in immer weniger Beschäftigte und immer mehr Arbeitslose viel teurer. Diese Spaltung vertieft sich mit jeder schweren Rezession. Dies durch Kurzarbeitsmodelle in künftigen Konjunktureinbrüchen abzufangen, wäre eine soziale Innovation von enormer Tragweite.
Das Gegenargument, eine solche Regelung wirke strukturkonservierend, ist aus folgenden Gründen nicht stichhaltig:
Die Kurzarbeitsmodelle gelten nur für den Fall eines massiven Konjunktureinbruchs. Deshalb würden jene Personen, die freigesetzt werden, weil es kein KAM gibt, mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen anderen Job finden, ihre Qualifikation würde durch Arbeitslosigkeit nicht besser, sondern schlechter.
Finden KurzarbeiterInnen eine bessere Stelle, können sie dorthin wechseln.
Selbst den Unternehmern könnte man die Möglichkeit einräumen, sich auch bei aufrechter Kurzarbeit von einem Mitarbeiter zu trennen. Denn da der Unternehmer ohnehin nur die geleistete Arbeit bezahlen muss und diese bei einer Verschärfung der Rezession weiter gesenkt werden kann, wird ein solcher Fall kaum auftreten (der Vorteil geringerer Arbeitskosten durch Kündigung entfällt, gleichzeitig verliert der Unternehmer den Vorteil, eine bewährte Arbeitskraft für die Zeit nach der Rezession zu behalten).
Für die Unternehmer hätte ein solches KAM entscheidende Vorteile gegenüber einer Ausweitung des Durchrechnungszeitraums bei Arbeitszeitkonten:
Bei Arbeitszeitkonten steigen die Lohnstückkosten (ausgerechnet) in der Rezession – wenn die Arbeitszeitguthaben aufgelöst werden – massiv an (die effektiven Stundenlöhne nehmen zu).
Wenn ein Arbeitnehmer in der Rezession gekündigt wird, wird dies umso teurer, je länger der Durchrechnungszeitraum ist und je mehr Gutstunden der Arbeitnehmer (daher) akkumuliert hat.
15.6. Verbesserung der gesamteuropäischen Infrastruktur
Die Wachstumspolitik sollte den Rückstau an Infrastrukturinvestitionen insbesondere im Bereich der Erweiterung und Erneuerung der transeuropäischen Verkehrs- und Kommunikationsnetze aufarbeiten (der Anteil der öffentlichen Investitionen am BIP ist in Europa in den vergangenen zwanzig Jahren deutlich gesunken). Die Durchführung der dafür benötigten Investitionen würde wegen ihres Volumens und ihrer breiten regionalen Streuung eine unmittelbare Beschäftigungsausweitung ermöglichen. Überdies würde die effizientere Infrastruktur die Produktionsbedingungen für die Unternehmen verbessern und daher auch indirekt ein höheres Beschäftigungswachstum nach sich ziehen.
Allerdings sind diese schon vor mehr als zwanzig Jahren vom damaligen Kommissionspräsidenten Jacques Delors in seinem » EU -Weißbuch« entwickelten Konzepte bisher deshalb noch nicht in Angriff genommen worden, weil sich die Mitgliedsländer nicht auf eine gemeinsame Finanzierung einigen konnten (darin manifestiert sich die Präferenz der Regierungen für den nationalökonomischen Vorteil relativ zu kooperativen Gesamtstrategien, die die wirtschaftliche Lage im eigenen Land und in Gesamteuropa verbessern könnten). Deshalb sollten Formen der Finanzierung für gesamteuropäisch-öffentliche Investitionen forciert werden, welche die nationalen Budgets der einzelnen Länder nicht (voll) belasten, sei es durch Finanzierungsinstitutionen der EU wie die Europäische Investitionsbank oder durch Private-Public-Partnerships.
Besonderes Schwergewicht sollte auf eine grundlegende Erneuerung des Energiesystems gelegt werden, von der Produktion über die
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