Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mitternachtskinder: Roman (German Edition)

Mitternachtskinder: Roman (German Edition)

Titel: Mitternachtskinder: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
Vom Netzwerk:
tun durfte; Lata Mangeshkar sang ein klagendes Liebeslied, während Zohra fortfuhr: «Genau wie ich, meinst du nicht? Süße rosa Babys werden wir haben, eine vollkommene Verbindung, nicht wahr, Vetterchen, hübsche weiße Paare?» Und die Füße trappelten, und in der Pfanne wurde gerührt, während es weiterging: «Wie schrecklich, schwarz zu sein, Vetterchen, jeden Morgen zu erwachen und davon angestarrt zu werden, den Beweis deiner Minderwertigkeit im Spiegel gezeigt zu bekommen! Natürlich wissen sie es, selbst Schwarze wissen, dass Weiß schöner ist, meinst du nicht?» Die Füße sind jetzt sehr nah, und Amina stampft mit dem Topf in der Hand ins Esszimmer, konzentriert sich angestrengt darauf, sich zurückzuhalten, und denkt: Warum muss sie heute kommen, wo ich Neuigkeiten mitzuteilen habe, und
außerdem muss ich in ihrer Gegenwart um Geld bitten. Ahmed Sinai hatte es gern, wenn er nett um Geld gebeten wurde, wenn es ihm mit Liebkosungen und süßen Worten abgeschmeichelt wurde, bis seine Serviette sich im Schoß aufzurichten begann, weil sich in seinen Pajamas etwas rührte; und sie machte sich nichts daraus, bereitwillig lernte sie auch das lieben, und wenn sie Geld brauchte, verlegte sie sich aufs Streicheln und: «Janum, bitte ...» und: «... Nur ein bisschen, damit ich schönes Essen kochen und die Rechnungen bezahlen kann ...» und: «Du bist so großzügig, gib mir, was du willst, ich weiß, es wird genug sein» ... die Techniken der Straßenbettler, und sie musste es vor der da mit den untertassengroßen Augen und der kichernden Stimme tun, die so laut über Schwarze plapperte. Die Füße sind beinahe an der Tür, und Amina im Esszimmer ist mit dem heißen Khichri nah an Zohras dummem Kopf, bereit zur Tat, worauf Zohra schreit: «Oh, Anwesende ausgenommen, natürlich !», nur vorsichtshalber, weil sie sich nicht sicher ist, ob sie belauscht wurde oder nicht, und: «Oh, Ahmed, Vetterchen, du bist wirklich zu garstig zu denken, ich hätte unsere reizende Amina gemeint, die ja gar nicht so schwarz ist, sondern nur wie eine weiße Dame im Schatten aussieht!» Währenddessen betrachtet Amina mit dem Topf in der Hand den hübschen Kopf und denkt: Soll ich? und traue ich mich? Und beruhigt sich selbst mit: «Es ist ein großer Tag für mich, und wenigstens hat sie das Thema Kinder aufs Tapet gebracht, deshalb ist es jetzt leicht für mich, zu ...» Aber es ist zu spät, Latas Klage im Radio hat das Klingeln der Türglocke übertönt, sodass sie nicht gehört haben, wie der alte Musa, der Hausdiener, die Tür aufmacht; Lata hat das Geräusch ängstlicher, die Treppe hochklappernder Füße überdeckt, aber plötzlich sind sie hier, die Füße von Herrn Mustapha Kemal und Herrn S. P. Butt, und kommen schlurfend zum Stillstand.
    «Die Kanaillen haben eine Freveltat verübt!» Herr Kemal, der dünnste Mensch, den Amina je gesehen hat, löst mit seiner seltsam archaischen Ausdrucksweise (die von seiner Vorliebe für Rechtsstreitigkeiten
herrührt, die wiederum zur Folge hatte, dass er die Schlussphrasen der Gerichtshöfe übernahm) eine Art Kettenreaktion absurder Panik aus, zu der der kleine, quieksende, rückgratlose S. P. Butt, in dessen Augen etwas Wildes wie ein Affe tanzt, beträchtlich beiträgt, indem er diese drei Wörter hervorstößt: «Ja, die Feuerteufel!» Und nun drückt Zohra in einer merkwürdigen Reflexhandlung das Radio an die Brust, dämpft Lata zwischen ihren Brüsten und schreit: «O Gott, o Gott, welche Feuerteufel? In diesem Haus? O Gott, ich kann die Hitze spüren!» Amina steht mit dem Khichri in der Hand wie angewurzelt da und starrt die beiden Männer in ihren Straßenanzügen an. Ihr Ehemann, die Geheimhaltung ist nun zum Teufel, erhebt sich, rasiert, aber noch nicht im Anzug, und fragt: «Der Godown?»
    Godown, Gudam, Warenlager: Nennen Sie es, wie Sie wollen, aber kaum hatte Ahmed Sinai seine Frage gestellt, senkte sich Schweigen über den Raum (abgesehen davon natürlich, dass Lata Mangeshkars Stimme immer noch aus Zohras Busen drang), denn die drei Männer teilten sich ein solches Gebäude im Industriegebiet am Rand der Stadt. «Nicht der Godown, Gott behüte», betete Amina im Stillen, denn der Kunstlederhandel florierte – vermittelt durch Major Zulfikar, der nun Adjutant im Heereshauptquartier in Delhi war, hatte Ahmed Sinai den Auftrag ergattert, die Armee mit Kunstlederjacken und wasserfesten Tischtüchern zu beliefern –, und große Vorräte dieses Materials, von dem

Weitere Kostenlose Bücher