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Mitternachtslust

Mitternachtslust

Titel: Mitternachtslust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Winter
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und das Meer nicht mehr unterscheiden konnte. Das Schiff tanzte wie ein Korken auf dem Wasser. Die Seeleute, die sonst ihre Tage mit Trinken und Fluchen verbrachten, fielen auf die Knie und beteten. Ich betete auch, flehte darum, zu dir zurückkehren zu dürfen. Und ich dachte an dich, sah dein Lächeln vor mir und deinen wunderschönen Körper, den du mir nach meiner Rückkehr schenken wolltest.« Er streckte eine zitternde Hand aus und berührte ihre nackte Brust, erst mit seinen Fingerspitzen und dann mit seiner Handfläche, die er so sanft über ihre Haut gleiten ließ, dass sein Streicheln sich anfühlte wie kühle weiche Sahne.
    Dann ließ er seinen Arm wieder fallen, atmete tief durch und fuhr fort: »Ich klammerte mich an einem Mast fest und dachte daran, dass ich dir geschworen hatte, zurückzukehren, dich zu heiraten und dich nie wieder allein zu lassen. Diese eine Reise nach Amerika habe ich doch nur gemacht, weil sie mir viel Geld eingebracht hätte – Geld, um dir alles bieten zu können, was dein Herz begehrt.«
    »Geld war mir egal. Mein Herz wollte nur dich.« Ihre Stimme war heiser vor Trauer. Die Verzweiflung darüber, dass sie den Mann ihres Lebens verloren hatte, weil er geglaubt hatte, ihr irdische Güter bieten zu müssen, schnürte ihr die Kehle zu.
    Die Worte kamen als raues Flüstern aus ihrem Mund. »Als die Nachricht von deinem Tod mich erreichte, wusste ich, dass ich nicht weiterleben konnte. Ich konnte nicht mehr essen, jeden Schluck Wasser würgte ich mühsam hinunter, sogar das Atmen fiel mir schwer. Das Einzige, was ich noch tun konnte, war weinen – Tag und Nacht nur weinen. Dann wurde ich krank. Das Fieber löschte alles aus, die Schmerzen, die Gedanken – und ich war so froh, weil ich wusste, dass wir bald wieder zusammen sein würden.«
    Irgendwo im Haus schlug ein Luftzug eine Tür zu. Der gedämpfte Knall ließ sie aufhorchen. Sie sah sich um, als wäre sie soeben aus einem Traum erwacht und strich sich mit den Fingerspitzen über die Stirn, hinter der sich ein schmerzhaftes Pochen bemerkbar machte.
    »Ich bin zu dir, in das Haus deiner Eltern zurückgekommen, wie ich es dir versprochen hatte. Es hat mich all meine Kraft gekostet, aber ich habe es für dich getan.« Sanft legte Julius seine Fingerspitzen auf ihre Stirn, als wüsste er genau, wo der Schmerz sich festgesetzt hatte. Einen Teil davon nahm er ihr mit seiner Berührung.
    »Es tut mir leid, dass ich nicht mehr da war«, flüsterte sie. »Ich war wohl zu schwach. Vielleicht habe ich nicht stark genug an unsere Liebe geglaubt.«
    »Das spielt keine Rolle mehr, denn jetzt habe ich dich endlich wiedergefunden.« Mit einer selbstverständlichen Geste streckte er seine Arme nach ihr aus.
    Es tat ihr unendlich gut, sich in seine Umarmung fallen zu lassen. Er hielt sie so behutsam wie einen kostbaren, zerbrechlichen Gegenstand. Seine Hände streichelten ihren nackten Rücken, liebkosten ihren Nacken und legten sich fast gewichtlos auf ihr Haar.
    Das Klopfen an der Hintertür war an diesem Ende der Halle sehr gedämpft zu hören. Nur allmählich drang der Ton, dessen Intensität sich von Augenblick zu Augenblick steigerte, in Melissas Bewusstsein. Der Hund hatte wieder angefangen, zu bellen. Sie hob lauschend den Kopf.
    »Da ist jemand an der Tür«, flüsterte sie.
    In dem Moment, in dem sie die Worte aussprach, lockerte sich Julius’ Umarmung. Hinter ihrem Rücken fiel etwas laut klirrend auf die Fliesen. Sie fuhr herum und sah zu ihren Füßen, halb verborgen unter ihrem weiten Rock, den Schürhaken mit dem roten Fleck an der Spitze. Julius war verschwunden.
    »Julius, komm zurück! Lass mich jetzt nicht allein! Bitte!«
    Ihre Stimme hallte unnatürlich laut von den Wänden und der Decke wider, doch nichts geschah. Sie war allein. Allein mit der Leiche ihres Ehemanns.
    Entsetzt ließ sie den Blick durch die schummrige Halle schweifen, in der nur noch vereinzelt die Punktstrahler leuchteten, die für den Maskenball angebracht worden waren. Das Gefühl der Einsamkeit bemächtigte sich ihrer mit solcher Kraft, dass sie meinte, darin ertrinken zu müssen.
    Als die Haustürglocke anschlug, raffte sie ihren Rock zusammen und rannte mit klappernden Absätzen quer durch die Halle. Ohne zu zögern, riss sie die Tür auf. Es war ihr egal, wer davor stand, wenn sie nur nicht länger allein sein musste.
    Als sie Alexander erkannte, warf sie sich mit einem Aufschluchzen in seine Arme. Während sie sich an ihn klammerte, fiel ihr ein,

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