Mitternachtsschatten
sei Dank ganz genauso. Aber jetzt war Erotik das Letzte, was ihr in den Sinn kam. Mit Entsetzen in den Augen sah sie zu Ted hoch.
„Ist etwas nicht in Ordnung, Schätzchen?“ fragte er.
„Er ist hier“, wisperte sie.
„Wer?“
„Der böse Mann. Er ist zurück. Und er wird unseren Mädchen wehtun.“
17. KAPITEL
E inen Moment lang blieb Jilly wie erstarrt stehen. Sie hörte, dass Roofus tief in der Kehle knurrte, und selbst Coltranes Hand, die sie sacht berührte, konnte sie nicht beruhigen.
„Ich dachte, du bist in Mexiko“, sagte sie und sah ihrem Vater in die Augen. Sie war größer als er, und das behagte ihm nicht. Das ist wohl nur einer von vielen Gründen, warum er mich nie gemocht hat, überlegte sie, denn seine Abneigung wurde schon deutlich, als sie noch sehr klein war.
„Wie kommst du denn darauf?“
„Coltrane hat das gesagt.“
„Coltrane lügt gelegentlich für mich.“
„Davon gehe ich aus“, sagte sie kühl.
Jackson legte den Kopf schief und starrte sie an, und sie musterte ihn so ausführlich, wie es ihr möglich war. Seine Sonnenbräune, sein Haar, sein Anzug, alles war perfekt. Er sah sogar jünger aus als das letzte Mal, man würde ihn eher für Mitte vierzig als Mitte sechzig halten. „Wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen, Jillian?“ fragte er heiter, die vollendete Imitation eines liebevollen Vaters. „Ein Jahr?“
„Zweieinhalb“, antwortete sie und wünschte, es wäre doppelt so lange. Auch wenn es nicht richtig war, den eigenen Vater zu hassen, der niemals auch nur das geringste Interesse für sie entwickelt hatte, so verabscheute sie ihn doch durch und durch. Nicht für das, was er ihr nicht gegeben hatte, sondern für das, was er Rachel-Ann und Dean und ihrer Mutter angetan hatte. Sie wusste nicht mehr, ob es einmal eine Zeit gegeben hatte, als sie ihn liebte und ihm vertraute. Ihre Mutter hatte ihre Kinder uneingeschränkt geliebt, doch für Jackson gab es stets nur Rachel-Ann. Seine leiblichen Kinder und seine Frau waren ihm egal, und so weit Jilly sich erinnern konnte, hatte er es kaum wahrgenommen, dass Edith ihn verließ. Bis zu dem Moment, wo sie ihm auch die Kinder nehmen wollte.
Jilly wusste von ihrer Mutter, dass Jackson sogar eine Einigung vorgeschlagen hatte. Edith konnte Dean und Jilly haben, und er würde Rachel-Ann behalten. Edith hatte natürlich abgelehnt. Sie alle waren ihre Kinder. Allerdings hatte sie nicht bedacht, wie skrupellos Jackson sein konnte. Er nahm ihr die Kinder und damit den Sinn ihres Lebens. Noch bevor sie sich gerichtlich mit ihm auseinander setzen konnte, wurde sie bei einem Autounfall getötet. Jackson Meyer begleitete seine Kinder nicht einmal zu Ediths Beerdigung. Damals begann Jilly, ihn zu hassen, und die letzen achtzehn Jahre hatten das Gefühl nur noch verstärkt.
„Du bevorzugst immer noch diesen Ekel erregenden Hippielook, wie ich sehe“, sagte Jackson und griff nach ihrem Zopf. „Wann wirst du dir endlich das Haar abschneiden lassen? Und diese Klamotten!“ Er seufzte. „Eigentlich sollte man ja meinen, dass du ein wenig Geschmack von eurer Mutter und mir geerbt hast. Ich kann ja nicht viel Gutes über eure Mutter sagen, aber zumindest wusste sie sich zu kleiden. Leider scheinst du dieses Talent nicht mitbekommen zu haben.“
„Daddy …“, sagte Rachel-Ann mit zitternder Stimme, aber er winkte nur ab, ohne sie anzusehen. Er war noch nicht fertig mit Jilly, er wollte sie noch weiter demütigen, hatte jedoch offenbar vergessen, dass sie nun erwachsen war und er sie nicht mehr verletzen konnte.
„Was willst du hier?“ fragte sie unbewegt. „Wir feiern weder Weihnachten noch Geburtstag, obwohl du dich üblicherweise um solche Tage ja auch nicht scherst. Welcher gesegneten Konstellation der Sterne haben wir es zu verdanken, dass du heute bei uns erscheinst?“
„Dein Bruder hat mich eingeladen.“ Er lächelte Dean leutselig an, der sein Weinglas erhob und ihm zuprostete. Jackson Meyers Lächeln war immer eine seiner schärfsten Waffen gewesen. Es reicht bis in seine Augen, erleuchtete sein ganzes Gesicht und überzeugte den Beobachter davon, dass dieser charmante, wunderbare Mann vollkommen harmlos war. Bis zu dem Zeitpunkt, wo er ihm das Messer in die Brust rammte.
„Ich könnte mir vorstellen, dass er dich schon vorher einmal eingeladen hat. Dean hat dich noch nicht völlig aufgegeben“, sagte Jilly.
„Im Gegensatz zu dir, nicht wahr, Jillian? Gott sei Dank habe ich ja noch zwei Kinder, auf
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