Modesty Blaise 11: Die Lady spannt den Bogen
hat aber gesagt, daß er uns umbringen will.«
»Na, das meine ich doch, aber wir wollen jetzt nicht mit Schauergeschichten anfangen, ja, Willie?«
Golitsyn hatte das Gefühl, bei einer Tennispartie zuzusehen, die zu schnell vor sich ging, als daß er ihr folgen konnte. Jetzt sahen ihn beide von den Betten her freundlich an. Er nahm die Pfeife aus dem Mund. »Also, dann lassen wir die Frage nach der Wichtigkeit eben beiseite. Ich bin trotzdem neugierig.«
Modesty warf ihm einen nachdenklichen Blick zu. »Nun ja, das sind wir selber auch«, sagte sie ein wenig tadelnd. »Wir würden gern noch ein wenig mehr über die
Watchmen
erfahren, stimmt’s Willie?«
Der zuckte die Achseln. »Find ich ziemlich sinnlos, Prinzessin.«
»Natürlich ist es ziemlich sinnlos, aber wir können doch nicht durchs Leben gehen und immer nur Dinge tun, die einen Sinn ergeben. Das ist schlecht für die persönliche Entfaltung, finden Sie nicht auch, Colonel?«
Beide sahen ihn mit höflichem Interesse an und warteten auf seine Stellungnahme. »Ja, wahrscheinlich«, erwiderte Golitsyn. Er machte eine Pause, analysierte die Situation rasch und faßte dann einen Entschluß.
»Ich würde mich freuen, Ihnen etwas über die
Watchmen
erzählen zu können.«
Sie nickte kurz, schien zwar zufrieden, aber nicht unbedingt erfreut. »Na gut. Danach erzähle ich Ihnen, wie wir Sie gefunden haben.«
Golitsyn bekam auf einmal das Gefühl, daß er die Situation wieder in der Hand hatte, und das freute ihn sehr. »Also muß ich Ihnen vertrauen?« fragte er jovial.
»Ja.« Sonst gab sie dazu keinen Kommentar ab.
»Nun gut. Wieviel hat Ihnen Oberon denn schon erzählt?«
»Er hat die meiste Zeit hier mit dem Wiederaufbau seines Selbstwertgefühls verbracht, deshalb hat er uns nur gesagt, daß Sie für morgen Ihre bisher größte Aktion planen und daß Sie vorhaben, über uns die Falschmeldung zu verbreiten, wir wären bei den
Watchmen
gewesen, indem Sie uns als zufällige Opfer bei der morgigen Schießerei zurücklassen wollen. Es ist ja allgemein bekannt, daß auf Porto Santo eine Gipfelkonferenz stattfindet, also können wir uns denken, daß Ihre Aktion damit in Zusammenhang steht.«
»So ist es.« Golitsyns Selbstvertrauen war jetzt zurückgekehrt. Er konnte sich nicht erinnern, es seit fünfzehn Jahren auch nur für kurze Zeit schon einmal verloren zu haben. »Wir werden die Staatsoberhäupter und Regierungschefs töten«, erklärte er. »Alle vier.«
»Kein schlechter Plan.« Sie wandte den Kopf zu Willie. »Was hältst du davon?«
»Nicht schlecht«, stimmte er ihr nachdenklich zu, »aber auch nicht gerade einfach.«
Zum ersten Mal war Golitsyn nun fähig, ein klein wenig Verachtung für die beiden zu empfinden. »Vielleicht können Sie es nicht voll beurteilen, was eine kleine Gruppe von gut trainierten, gut ausgerüsteten Männern mit guten Anführern alles leisten kann. Mittlerweile dürfte Ihnen klar sein, daß die
Watchmen
ein Instrument der Regierung meines Vaterlandes darstellen, aber da Sie noch mehr erfahren möchten, werde ich Ihnen die Einzelheiten unseres Plans für Unternehmen
Morgenstern
ausführen.«
»Mit Morgenstern meinen Sie wahrscheinlich eine Stachelkeule, wie sie im Mittelalter verwendet wurde?«, warf sie ein.
»Das versteht jedenfalls Major Earl St. Maur darunter, und der hat das Codewort ausgesucht.«
»Interessant. Aber erzählen Sie bitte weiter.«
Golitsyn brauchte zwei Minuten, um in äußerster Knappheit den Plan für den Angriff auf Porto Santo darzulegen. Das gelegentliche bewundernde Kopfnicken und das beifällige Murmeln seiner beiden Zuhörer störte ihn dabei nur geringfügig. Als er geendet hatte und seine Pfeife von neuem anzündete, sagte Modesty Blaise: »Wirklich ein Supercoup, Colonel. Und wesentlich größer, als alles, was die
Watchmen
bisher für die Armenische Geheimarmee oder die Befreiungsfront von Quebec und all die anderen erfundenen Hintermänner abgezogen haben. Aber bitte halten Sie mich nicht für unverschämt, wenn ich Sie jetzt frage: Was
bringt
es Ihnen? Oder vielmehr: Was nützt es dem KGB und Mütterchen Rußland? Erstens sieht es doch ein bißchen verdächtig aus, wenn nur die westlichen Staatschefs abgeschossen werden, und zweitens werden sie doch auf der Stelle durch ihre Vizepräsidenten und stellvertretenden Kabinettchefs oder wen auch immer ersetzt.«
Golitsyn grinste. »Das Ganze ist eine gute Übung in geplanter Irreführung«, führte er aus. »Sobald wir den Erfolg
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