Moerderische Idylle
Wahrscheinlichkeit nach von ganz normalen Stallratten ab, nicht von Bisamratten, von denen erst in den allerletzten Jahren einige wenige in Smäland gesichtet worden seien.
So war es, der Geschädigten zufolge. Zwei abgenutzte, über ein halbes Jahrhundert alte Pantoffeln aus Rattenfell. Durchtränkt vom männlichen Fußschweiß dreier Generationen, und wenn hier schon von gefühlsmäßiger Symbolik die Rede sein solle, dann habe genau diese Wahrnehmung ihre Einstellung zu den sogenannten Bisampantoffeln ihres Verflossenen geprägt.
»Sie können sich ja vorstellen, wie die gestunken haben«, sagte die Geschädigte und lächelte die Juryvorsitzende und die übrigen Geschworenen freundlich an.
Schade, dass die sich nicht bei der Polizei beworben hat, dachte Jan Lewin, während er zur Schere griff, um seine Reiseerinnerungen an Växjö zu vervollständigen.
73
Växjö, Mittwoch, 20. August - Sonntag, 24. August Lewin war am Mittwochmorgen schon gegen halb acht zur Arbeit erschienen. Eva Svanström hatte private Dinge erledigen müssen, und um sich nicht schon zum Morgenkaffee Bäckströms Weisheiten anhören zu müssen, war er nach unten gelaufen, um in aller Ruhe und Einsamkeit zu frühstücken. Aber Kollegin Sandberg war ihm offenbar zuvorgekommen.
»Du bist ja vielleicht gut aufgelegt, so früh am Morgen«, bemerkte Lewin und lächelte freundlich.
»Darüber reden wir ein andermal«, sagte Anna und schüttelte abwehrend den Kopf. »Unsere alte Dame hat vorhin angerufen und wollte ihre Aussage korrigieren.«
»Ach. Ja, die ist morgens auch immer sehr gut aufgelegt«, sagte Lewin und nickte ermunternd.
»Sie wollte das mit Clark Gable ändern. Sie meinte nämlich in Wirklichkeit Errol Flynn. Nicht Clark Gable aus >Vom Winde verweht<. Der hat nämlich ein zu dickes Gesicht. Der Mann, den sie gesehen hatte, war schmaler im Gesicht, eher wie Errol Flynn. Aber noch immer ohne Schnurrbart.«
»Wie gut, dass wir kein Phantombild veröffentlicht haben«, sagte Lewin lächelnd.
»Sicher«, sagte Anna und schaute ihn skeptisch an. »Aber dann hat sie noch etwas gesagt. Ich weiß ja nicht… aber wo du doch erzählt hast, dass sie darauf besteht, am 4. Juli Geburtstag zu haben und nicht am 4. Juni, wie wir zuerst gedacht hatten und wie die meisten wohl immer noch glauben, wenn du mich fragst«, sagte sie und schaute ihn noch immer skeptisch an.
»Sie hat noch etwas gesagt«, mahnte Lewin.
»Sie hat gefragt, ob wir wirklich ganz sicher sind, dass der Flugkapitän keinen Sohn hat«, sagte Sandberg.
»Jedenfalls keinen, den wir bisher gefunden hätten«, sagte Lewin und schüttelte den Kopf. »War das alles?«
»Sie hat versprochen, sich zu melden, wenn ihr noch etwas einfällt. Und dann soll ich dich grüßen. Du hast sie offenbar tief beeindruckt.«
»Kann ich dir sonst noch irgendwie behilflich sein«, fragte Lewin. Bei dem, was dir wirklich Sorgen macht, dachte er.
»Lieb von dir«, sagte Anna Sandberg. »Aber eigentlich glaube ich nicht. Durch manches muss man einfach durch. Jedenfalls vielen Dank.«
Sie hat ihrem Mann gestanden, was passiert ist, als sie vor einem Monat in der Kneipe war, und jetzt hat ihr ganzes Dasein sich in ein Chaos verwandelt, dachte Lewin. Sie hat mehr Mut als ich, dachte er.
Bei der Morgenbesprechung war Bäckström ungewöhnlich zurückhaltend gewesen, obwohl Olsson sich nicht hatte blicken lassen. Bäckström hatte neue Ideen eingefordert, da eine verständnislose Umwelt der Polizei die Wattestäbchen aus den Händen gerissen habe. Lewin hatte die Gelegenheit genutzt, um an alte Überlegungen zu erinnern.
»Auch wenn ich mich wie jemand anhöre, der sich dauernd wiederholt, so finde ich noch immer, dass wir zu wenig über unser Opfer wissen«, sagte Lewin.
»Sieh an«, sagte Bäckström und grinste. »Und was hast du auf dem Herzen, so ganz konkret, wenn ich mal eine unverschämte Frage stellen darf?«
In Lewins Welt waren alle Fragen erlaubt. Konkret ging es um neue Vernehmungen von Lindas Eltern, ihren engsten Freunden und Bekannten. Außerdem um alle persönlichen Aufzeichnungen, eventuellen Tagebücher, Fotoalben und alles andere, was er vermisste und was seiner festen Überzeugung nach vorhanden war. Es war nämlich immer vorhanden.
Bäckström seufzte tief. Versprach, diese ewige Frage noch einmal mit Olsson durchzugehen, und wenn sonst niemand mehr etwas zu sagen habe, so habe zumindest er Wichtigeres zu erledigen.
»Und jetzt los und macht euch
Weitere Kostenlose Bücher