Momo
einzige, was ich jetzt noch tun könnte, das wäre - den Mund halten, nichts mehr erzählen, verstummen, vielleicht für den Rest meines Lebens, oder doch wenigstens so lang, bis man mich vergessen hat und bis ich wieder ein unbekannter, armer Teufel bin. Aber arm sein ohne Träume – nein, Momo, das ist die Hölle. Darum bleibe ich schon lieber, wo ich jetzt bin. Das ist zwar auch eine Hölle, aber wenigstens eine bequeme. - Ach, was rede ich da? Das kannst du natürlich alles nicht verstehen.“ Momo sah ihn nur an. Sie verstand vor allem, daß er krank war, todkrank. Sie ahnte, daß die grauen Herren dabei ihre Finger im Spiel hatten. Und sie wußte nicht, wie sie ihm hätte helfen können, wo er es doch selbst gar nicht wollte.
„Aber ich rede immerfort nur von mir“, sagte Gigi, „nun erzähle doch endlich mal, was du inzwischen erlebt hast, Momo!“ In diesem Augenblick hielt das Auto vor dem Flughafen. Sie stiegen alle aus und eilten in die Halle. Hier wurde Gigi bereits von uniformierten Stewardessen erwartet. Einige Zeitungsreporter knipsten ihn und stellten ihm Fragen. Aber die Stewardessen drängten ihn, weil das Flugzeug in wenigen Minuten starten würde.
Gigi beugte sich zu Momo herunter und sah sie an. Und plötzlich hatte er Tränen in den Augen.
„Hör zu, Momo“, sagte er so leise, daß die Umstehenden es nicht hören konnten, „bleib bei mir! Ich nehme dich mit auf diese Reise und überallhin. Du wohnst bei mir in meinem schönen Haus und gehst in Samt und Seide wie eine richtige kleine Prinzessin. Du sollst nur da sein und mir zuhören. Vielleicht fallen mir dann wieder wirkliche Geschichten ein, solche wie damals, weißt du? Du brauchst nur ja zu sagen, Momo, und alles kommt in Ordnung. Bitte, hilf mir!“ Momo wollte Gigi so gerne helfen. Das Herz tat ihr davon weh. Aber sie fühlte, daß es so nicht richtig war, daß er wieder Gigi werden mußte und daß es ihm nichts helfen würde, wenn sie nicht mehr Momo wäre. Auch ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie schüttelte den Kopf. Und Gigi verstand sie. Er nickte traurig, dann wurde er von den Damen, die er selbst dafür bezahlte, weggezogen. Er winkte noch einmal aus der Ferne, Momo winkte zurück, und dann war er verschwunden. Momo hatte während der ganzen Begegnung mit Gigi kein einziges Wort sagen können. Und sie hätte ihm doch so viel zu sagen gehabt. Ihr war, als hätte sie ihn dadurch, daß sie ihn gefunden hatte, nun erst wirklich verloren.
Langsam drehte sie sich um und ging dem Ausgang der Halle zu. Und plötzlich durchfuhr sie ein heißer Schreck: Auch Kassiopeia hatte sie verloren.
SECHZEHNTES KAPITEL: Die Not im Überfluß
„Also, wohin?“ fragte der Fahrer, als Momo sich wieder zu ihm in Gigis langes elegantes Auto setzte.
Das Mädchen starrte verstört vor sich hin. Was sollte sie ihm sagen? Wohin wollte sie denn eigentlich? Sie mußte Kassiopeia suchen. Aber wo? Wo und Wann hatte sie sie denn verloren? Bei der ganzen Fahrt mit Gigi war sie schon nicht mehr dabeigewesen, das wußte Momo ganz sicher.
Also vor Gigis Haus! Und nun fiel ihr auch ein, daß auf ihrem Rückenpanzer „LEBEWOHL!“ und „ICH GEH' DICH SUCHEN“ gestanden hatte. Natürlich hatte Kassiopeia vorher gewußt, daß sie sich gleich verlieren würden. Und nun ging sie also Momo suchen. Aber wo sollte Momo Kassiopeia suchen? „Na, wird's bald?“ sagte der Chauffeur und trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad. „Ich habe noch was anderes zu tun, als dich spazierenzufahren.“
„Zu Gigis Haus, bitte“, antwortete Momo.
Der Fahrer blickte etwas überrascht drein. „Ich denke, ich soll dich zu dir nach Hause bringen. Oder wirst du jetzt etwa bei uns wohnen?“
„Nein“, erwiderte Momo, „ich hab' was auf der Straße verloren. Das muß ich jetzt suchen.“
Dem Fahrer war es recht, denn dorthin mußte er ja sowieso. Als sie vor Gigis Villa ankamen, stieg Momo aus und begann sofort, alles ringsum abzusuchen.
„Kassiopeia!“ rief sie immer wieder leise, „Kassiopeia!“
„Was suchst du denn eigentlich?“ fragte der Fahrer aus dem Wagenfenster.
„Meister Horas Schildkröte“, antwortete Momo, „sie heißt Kassiopeia und weiß immer eine halbe Stunde die Zukunft voraus. Sie schreibt nämlich Buchstaben auf ihrem Rückenpanzer. Ich muß sie unbedingt wiederfinden. Hilfst du mir bitte?“
„Ich hab' keine Zeit für dumme Witze!“ knurrte er und fuhr durch das Tor, das hinter dem Auto zufiel.
Momo suchte also allein. Sie suchte die
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