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Mona Lisa Overdrive

Mona Lisa Overdrive

Titel: Mona Lisa Overdrive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Lachen. »Haste Liebeskummer? Hast'n böses Weib, das dich nicht versteht?« Wieder das Lachen, rauschendes Glockenspiel. »Eigentlich mach ich mehr auf Unternehmensberatung. Sind die Typen aus der Gegend, die die leckeren Sachen hierlassen.
    Macht die Sache irgendwie noch mystischer. Und ab und zu kommt'n Skeptiker daher, irgend'n Arsch, der meint, er kann sich einfach bedienen von meiner Beute.« Ein knallroter, haarfeiner Lichtstrahl schoß aus dem Schlitz, und irgendwo rechts von Kumiko explodierte eine Flasche.
    Rauschendes Lachen. »Was führt uns denn diesmal her, Moll? Dich und ...« — wieder flackerte das pink Licht über Kumikos Gesicht — »Yanakas Tochter...«
    »Die Straylight-Nummer«, sagte Sally.
    »Lange her, Moll...«
    »Sie ist hinter mir her, Finne. Vierzehn Jahre, und diese irre Schnepfe hat's auf meinen Arsch abgesehn ...«
    »Hat vielleicht nichts Besseres zu tun. Du weißt ja, wie die Reichen sind ...«
    »Weißt du, wo Case ist, Finne? Vielleicht ist sie hinter ihm her...«
    »Case ist ausgestiegen. Hat'n paar Volltreffer gelandet, nachdem ihr euch getrennt habt, hat sich'n Tritt gegeben und abgeseilt. Hättest du das auch getan, würdest du dir jetzt vielleicht nicht den Arsch abfrieren in der Gosse, oder? Zuletzt hab ich gehört, er hat vier Kids ...«
    Als Kumiko in den hypnotisierenden Schein des pink Scanner-Lichts starrte, ahnte sie, mit was Sally da redete. Solche Dinger gab's auch im väterlichen Arbeitszimmer, vier an der Zahl, schwarzlackierte Würfel auf einem niedrigen Pinienregal. Über jedem Würfel hing ein formales Porträt. Die Porträts waren Lichtbilder in Schwarzweiß von Herren im dunklen Anzug mit Krawatte, vier ernsten Gentlemen mit kleinen Metallabzeichen am Revers, wie Vater sie auch gelegentlich trug. Obwohl die Mutter ihr einredete, in den Würfeln seien Geister, die Geister der bösen Ahnen des Vaters, empfand Kumiko weniger Angst als Faszination. Falls sie Geister enthielten, überlegte sie, so recht kleine, da die Würfel kaum Kindskopfgröße hatten.
    Der Vater meditierte manchmal vor den Würfeln, kniete auf dem blanken Tatami* in von tiefer Ehrfurcht zeugender Haltung. Oft sah sie ihn bei dieser Andacht, aber erst mit zehn hörte sie ihn mit den Würfeln sprechen. Und einer gab ihm Antwort. Die Frage sagte ihr nichts, die Antwort noch viel weniger, aber der ruhige Tonfall des Geistes bannte sie hinter der papierenen Tür, wo sie kauerte. Der Vater lachte, als er sie bemerkte; anstatt sie zu tadeln, erklärte er ihr, daß die Würfel die aufgezeichneten Persönlichkeiten der früheren Chefs, der Direktoren bargen. Ihre Seelen? fragte sie. Nein, sagte er und lächelte, woraufhin er anmerkte, daß doch ein feiner Unterschied bestehe. »Sie haben kein Bewußtsein. Sie antworten, wenn sie gefragt werden, und zwar in einer Art, die der Antwort der fraglichen Personen annähernd entspräche. Wenn so was ein Geist ist, dann ist ein Hologramm auch ein Geist.«
    Nach Sallys Vortrag über Geschichte und Hierarchie der Yakuza in der Robata-Bar in Earls Court stufte Kumiko jeden der abgelichteten Herren mit der gespeicherten Persönlichkeit als einen 2\DEXQ ein.
    Das Ding in der Panzerplatte, überlegte sie, war auch so was, ein bißchen aufwendiger vielleicht, genau wie Colin eine aufwendigere Version des Michelin-Führers war, den die väterlichen Sekretäre bei ihren Einkaufszügen in Shinjuku bei sich hatten. Sally nannte es Finne, und es lag auf der Hand, daß dieser Finne ein früherer Freund oder Bekannter von ihr war.
    Aber wachte er auch, fragte sich Kumiko, wenn die Gasse leer war? Registrierte seine Laseroptik, wenn um Mitternacht leise der Schnee rieselte?
    * Tatami: Reisstrohteppich des jap. Hauses. — $QP G hEHUV
    »Europa«, begann Sally. »Als ich mich von Case trennte, gondelte ich durch ganz Europa. Hatte 'ne Menge Geld, das wir für die Nummer kassierten. Kam mir jedenfalls wie 'ne Menge vor damals. Tessier-Ashpools KI hatte es über eine Schweizer Bank ausgezahlt und jeden Hinweis gelöscht, daß wir überhaupt den Schacht rauf sind. Totalst, meine ich, so daß die Namen, unter denen wir im JAL-Shuttle reisten, einfach verschwunden waren, wenn man nachschaute. Case checkte alles durch, als wir wieder in Tokyo waren, hackte sich in alle möglichen Daten rein. Es war, als hätte nichts davon stattgefunden. Ich kapierte nicht, wie es das fertigbrachte, ob KI oder nicht, aber eigentlich kapierte keiner so recht, was da oben stattfand, als Case den

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