Mona Lisa Overdrive
Schmutzränder unter den brüchigen Fingernägeln. Schmiere drang ein und weichte sie auf, so daß sie leicht brachen.
Er kam sich allmählich blöd vor, wie er da stand. Vielleicht wurde er vom Haus beobachtet.
»Scheiße«, sagte er und ging über den breiten gepflasterten Weg, wobei er automatisch den schmissigen Gang einlegte, den er im Deacon Blues gelernt hatte.
An der Tür, in der mittleren Füllung, war so'n Ding: eine Hand, eine kleine, grazile, mit einer Kugel, einer billardgroßen, alles aus Eisen gegossen. Am Handgelenk ein Scharnier, so daß man sie heben und damit anschlagen konnte. Das tat er. Fest. Zweimal, dann noch zweimal. Nichts rührte sich. Der Türknauf war aus Messing mit Blumenmustern, die im Laufe der Jahre abgegriffen, fast unsichtbar geworden waren. Er ließ sich mühelos drehen. Die Tür ging auf.
Er blinzelte ob der Vielfalt aus Farben und Strukturen. Flächen aus poliertem dunklen Holz, schwarzweißer Marmor, Teppiche mit tausend weichen Farben, die leuchteten wie Kirchenfenster, poliertes Silber, Spiegel... Er lächelte ob des ersten Schrecks, ließ den Blick von einer Augenweide zur nächsten wandern. So viele Dinge, die er oftmals gar nicht benennen konnte ...
»Suchst du jemand Bestimmtes, Freundchen?«
Der Mann stand vor einem riesigen Kamin. Er hatte knallenge schwarze Jeans und ein weißes TShirt an. Er war barfuß und hatte ein großes, bauchiges Schwenkglas in der rechten Hand. Slick blinzelte ihn an.
»Scheiße«, sagte Slick, »du bist er...«
Der Mann schwenkte das braune Zeug bis zum Glasrand und nahm einen Schluck. »Hab damit gerechnet, daß Afrika irgendwann mit so was loslegt«, sagte er, »aber du kommst mir irgendwie nicht wie einer aus seiner Fangemeinde vor, Kamerad.«
»Du bist der Count.«
»Ja«, sagte er, »ich bin der Count. Wer, zum Teufel, bist du?«
»Slick. Slick Henry.«
Er lachte. »Willst'n Cognac, Slick Henry?« Er zeigte mit dem Glas auf ein poliertes Holzmöbel, in dem eine Reihe schmuckvoller Flaschen standen. Um jede hing an einem Kettchen eine silberne Plakette.
Slick schüttelte den Kopf.
Der Mann zuckte die Achseln. »Kriegst sowieso keinen Rausch davon ... Entschuldige, wenn ich das sage, Slick, aber du siehst aus wie Scheißdreck. Gehe ich recht in der Annahme, daß du nicht zu Kid Afrikas Unternehmen gehörst? Und was hast du, wenn nicht, hier verloren?«
»Gentry hat mich geschickt.«
»Gentry wer?«
»Du bist der Typ auf der Bahre, stimmt's?«
»Der Typ auf der Bahre bin ich. Wo genau ist momentan diese Bahre, Slick?«
»Bei Gentry.«
»Wo ist das?«
»Fabrik.«
»Und wo ist GLH"©
»Dog Solitude.«
»Und wie bin ich da hingekommen, wo immer das ist?«
»Kid Afrika. Der hat dich gebracht. Mit dieser Cherry, richtig? Weißt du, ich schulde ihm eine Gefälligkeit, und dafür will er, daß ich dich 'ne Weile unterbringe, dich und die Cherry, die dich versorgt.«
»Du hast mich Count genannt, Slick.«
»Cherry sagt, das hat Kid mal zu dir gesagt.«
»Sag mal, Slick, war der Kid nervös, als er mich brachte?«
»Cherry meint, er hat Schiß gekriegt in Cleveland.«
»Das möcht ich wetten. Wer ist dieser Gentry? 'n Freund von dir?«
»Ihm gehört die Fabrik. Ich wohn auch da ...«
»Dieser Gentry, ist der 'n Cowboy, Slick? Ein Console Jockey? Ich meine, wenn du hier bist, muß der sich auskennen mit der Technik, hab ich recht?«
Nun war Slick es, der die Achseln zuckte. »Gentry, der ist so was wie'n Künstler. Hat so'ne Theorie. Schwer zu erklären. Er hat das Ding auf der Bahre, in das du eingesteckt bist, mit einer Überbrückung versehen. Zuerst wollte er ein Bild im Holo kriegen, aber da kam nur so'n Affending, so'n Schatten, so daß er mich überredete ...«
»O Gott... Nun, egal. Diese Fabrik, von der du immer redest, steht die irgendwo jwd. Relativ abgelegen?«
Slick nickte.
»Und diese Cherry ist als Krankenschwester angeheuert?«
»Ja, hat den Med-Tech-Schein, sagt sie.«
»Und es ist mich noch keiner suchen gekommen?«
»Nein.«
»Das ist gut, Slick. Denn wenn jemand kommt, von meinem Freund Kid Afrika, der verlogenen Ratte, abgesehn, könntet ihr Leute in arge Schwierigkeiten geraten.«
»So?«
»Ja. Hör zu, okay? Merk dir das gut! Falls irgend jemand in eurer Fabrik auftaucht, dann ist eure verdammt einzige Hoffnung, daß ihr mich an die Matrix koppelt. Verstanden?«
»Wie kommst du zu dem Count? Ich meine, was hat das zu bedeuten?«
»Bobby. Bobby heiß ich. Count war mal mein
Weitere Kostenlose Bücher