Mondberge - Ein Afrika-Thriller
ihnen, nur manchmal bedienten sie sich an Früchten, die den Menschen gehörten. Aber er hatte noch nie erlebt, dass jemand aus dem Dorf die Balindi bedroht oder gar angegriffen hätte. Dass ein Mensch sie verletzen oder gar töten konnte, war schlicht unvorstellbar.
»Du wirst viel erfahren in den nächsten Tagen. Es wird Zeit, dass du diese Dinge weißt«, sagte Tsongo zu seinem Sohn. Dann sah er Balukus Vater an. »Hol Blätter vom Korallenbaum!«
Der Mann drehte sich um und verschwand im Wald. Tsongo wandte sich wieder den verletzten Balindi zu und ging leicht in die Knie. Langsam näherte er sich der Gruppe mit grunzenden Geräuschen. Vorsichtig winkte er Kambere und Baluku zu sich heran, die ebenfalls in die Hocke gingen und ihm folgten. Diesmal wichen Johari und Tariro nicht zurück. Langsam streckte Tsongo den Arm nach Johari aus. Der alte Ruhondeza setzte sich hinter Johari und beruhigte sie mit einem tiefen Grunzen.
Ihre Wunden waren schlimm. Die Haut war aufgerissen und entzündet. Tsongo zückte seine Machete und zeigte sie Johari, die ihn weiterhin skeptisch ansah. In diesem Moment kehrte Kabusa mit den Blättern zurück. Nachdem Johari die Machete ausgiebig begutachtet hatte, griff Tsongo nach ihrem Arm. Tsongo wies die beiden Jungen an, den Arm ruhig zu halten. Sie griffen vorsichtig in das weiche Fell der großen Balindi. Ehrfürchtig schaute Kambere zu Johari auf, die ihn in einer Mischung aus Neugier und Furcht musterte. Dann setzte Tsongo die scharfe Machete an und rasierte vorsichtig die Haare rund um die Wunde ab. Johari zuckte einmal erschrocken zurück, dann ließ sie die Prozedur ruhig über sich ergehen. Kabusa reichte ihr eine Handvoll Bananen, die er von einem angrenzenden Feld mitgebracht hatte. Zögerlich nahm sie die Früchte an, schnüffelte an ihnen, um sie dann gierig zu verschlingen. Währenddessen legte Tsongo die Blätter des Korallenbaums auf die Wunden und verband sie mit kurzen Stücken einer Liane. Danach zogen sich alle ehrfürchtig zurück.
Obwohl Kambere mit den Balindi aufgewachsen war, hatte er großen Respekt vor ihnen. Und vor allem hatte er noch nie zuvor einen von ihnen angefasst. Jetzt, nach dieser Erfahrung, hatte er noch mehr Ehrfurcht vor ihnen, denn er hatte das Spiel ihrer Muskeln unter dem dichten Fell gespürt, hatte die Energie, die Johari trotz der Erschöpfung und ihrer Verletzungen ausstrahlte, bis in jede Faser seines eigenen Körpers gespürt.
Die Balindi-Gruppe schloss sich wieder um die beiden Neuankömmlinge und ignorierte Kambere und die anderen. Nachdenklich stand Tsongo am Rand der Lichtung und beobachtete die Balindi.
»Was glaubst du, ist mit ihr passiert?«, fragte Kambere seinen Vater.
»Es ist eine Verletzung durch eine Machete, da bin ich sicher. Irgendjemand muss sie angegriffen haben. Und sie müssen lange auf der Flucht gewesen sein. Stunden, wenn nicht Tage.«
Er wirkte besorgt.
»Ich hoffe, dass sie die Strapazen überlebt.«
»Können wir nicht mehr für sie tun?«
»Sie muss wieder zu Kräften kommen, und die Wunde muss heilen. Danach sehen wir weiter.«
Er ging zurück in den Wald, gefolgt von den anderen. Am Ufer des Sees lagen weitere Boote vertäut. Die Frauen waren von der Insel gekommen. Tsongo erzählte ihnen, was geschehen war. Eine Weile unterhielten sie sich noch darüber, dann entschieden sie, dass die Männer mit der Jagd beginnen sollten.
Gemeinsam liefen die Männer ein gutes Stück am sumpfigen Seeufer entlang, bis sie sich aufteilten und in den Wald ausschwärmten. Kambere und Baluku durften noch keine Tiere erlegen, sie halfen lediglich bei den Vorbereitungen oder schreckten die Tiere aus dem Unterholz auf und trieben sie den Jägern in die Arme. Dass sie das dafür umso besser konnten, hatten sie schon häufig bewiesen.
Kambere rollte mit Baluku die dicht gewebten Netze aus. Fast zwanzig Meter waren sie lang, aber nur einen Meter breit. Die Männer rieben sie mit frischen Blättern ein, um den menschlichen Geruch aus dem dünnen Lianengewebe zu vertreiben, und hängten sie danach an Bäumen und Büschen auf. Die Jungen verankerten die Netze mit Stöcken fest am Boden. Auf einer Länge von fast hundertfünfzig Metern sperrten die beiden das Terrain ab. Dann versteckten sie sich im Gebüsch und warteten.
Sie hörten die Rufe der Männer. Melodische Gesänge der Frauen untermalten die Stimmung. Kambere fühlte sich in der Gemeinschaft wohl. Und in acht Tagen würde er ein volles Mitglied sein. Danach durfte
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