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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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ausgedehnter Spaziergang und viele Stunden des Wartens hatten seine Laune nicht verbessert. Er hockte sich in eine Sandmulde, sah den Drachen zu und ärgerte sich darüber, wie langsam die Sonne über den Himmel wanderte.
    Hollis hatte versprochen, im Laufe des Tages irgendwann mit ihm Kontakt aufzunehmen. Sie hatte unterschiedliche Pflichten an der Schule der Göttin, sodass sie im Voraus nicht wusste, wann sie allein sein würde. Sein Verstand sah das ein, doch sein Herz – wie das eines jeden glühenden Liebhabers – verfluchte alles, das ihre Gedanken von ihm ablenkte. Sein Sinn für Humor sorgte für ein Gleichgewicht zwischen beiden Extremen, denn er wusste, dass sie schwerlich den ganzen Tag nach ihm schmachten konnte – was er auch gar nicht wünschte. Er wusste auch, wie sehr sie allein bei dem Gedanken gelacht hätte. Aber trotzdem fand er, schließlich sei sie ja in ihn verliebt. Also konnte sie sich doch wohl die Zeit nehmen, ihn über das Sonnenlicht aufzusuchen, und sei es auch nur kurz.
    Die Langeweile trug wenig zur Verbesserung seiner Laune bei. Er hatte sich freiwillig den Drachenbeobachtern angeschlossen, damit er etwas zu tun hatte, wobei er das Sonnenlicht spüren konnte und einigermaßen beschäftigt war, aber bis jetzt war überhaupt noch nichts passiert. Die Drachenweibchen waren von ihrer morgendlichen Jagd zurück, rekelten sich seitdem im Sand und wärmten ihre von Eiern geschwollenen Bäuche. Die Halbwüchsigen waren davongejagt worden. Maarken wusste aber, dass sie sich wahrscheinlich genau wie die Menschen irgendeinen Aussichtspunkt gesucht hatten. Von den Drachen selber war nichts zu sehen, obwohl das gelegentliche Brüllen aus fernen Felsschluchten sie alle zusammenfahren ließ. Doch die Drachenweibchen kümmerten sich nicht im Geringsten um das Getöse ihrer Männer; sie gähnten nur.
    Maarken blickte zu Pol hinüber, der neben ihm im Sand saß. Er hatte seinen staubigen gelbbraunen Umhang um sich geschlagen und die Kapuze aufgesetzt, um seinen blonden Kopf vor der Hitze zu schützen. Er sah aus wie ein kleines Zelt. Maarken grinste, als er den Rest der Gruppe betrachtete. Sie sahen wie ein kleines Lager aus Isulki-Zelten aus, wie sie sich über die Dünen verteilt hatten. Alle trugen diese leichten Umhänge in der Farbe des Wüstensandes. Feylin hatte vor einigen Jahren entdeckt, dass Drachen außerordentlich stark auf Farben reagierten.
    Sie hatte ein Experiment mit ein paar Schafen durchgeführt, die sie zutiefst gekränkt hatte, indem sie sie mit grellen Farben anmalte. Die Drachen hatten die bunten Schafe verschmäht und sich deren normalen, weißen und braunen Gebrüdern zugewandt. Maarken erinnerte sich, mit welcher Sorgfalt Feylin sich vergewissert hatte, dass kein Farbgeruch in der Wolle hing, und er erinnerte sich vor allem an das Chaos, das sie von einer Bergspitze aus beobachtet hatten. Die armen, nichts ahnenden, ungefärbten Schafe hatten versucht, fünfunddreißig ausgelassenen Jungdrachen zu entkommen, denen man sie als Mahlzeit vor die Nase getrieben hatte.
    Er lachte in sich hinein, als ihm das nachfolgende Experiment einfiel. Damals hatte Feylin gedecktere Farben benutzt, Braun- und Grautöne, die den natürlichen Farben der Schafe sehr nahe kamen. Die Drachen hatten sich danach weniger wählerisch gezeigt, und man hatte daraus gefolgert, dass Farben als Schutz nur funktionieren würden, wenn man schreiend bunte Farben wählte. Sie hatten ausgiebig gelacht bei der Vorstellung, dass die Schäfer davon überzeugt werden mussten, lila Schafherden zu bewachen.
    Die Experimente hatten eines jedoch bewiesen: Die Drachen reagierten auf Farben. Maarken schob seine eigene, ockerfarbige Kapuze zurecht und dachte an den Schreck, den er erlebt hatte, als sie im Sonnenlicht mit dem Drachen zusammengestoßen waren. Er hatte mit Sioned ausführlich darüber gesprochen, und beide stimmten überein, dass es möglich sein müsste, Drachenfarben wahrzunehmen und sie zu verstehen. Doch es gab dabei ernsthafte Probleme.
    Nur die Faradhi selbst kannten die Grenzen ihrer Gabe. Eine zuverlässige Lichtquelle war deren Grundlage. Eine Wolke vor der Sonne oder den Monden, ein riskanter Versuch zu kurz vor Sonnen- oder Monduntergang, und die Schatten konnten alle Farben auslöschen. Der Schattentod war der schrecklichste Tod, der einem Lichtläufer zustoßen konnte. Wenn der Funke des Geistes zusammen mit dem Muster der Gedanken und der Persönlichkeit verloren ging, lebte der Körper nur

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