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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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Hegemonialmacht spüren?
    Die Botschaft glaubt es nicht. Die Botschaft glaubt, daß Worotnikows Krankheit echt ist. Außerdem ist da noch der Brief, den man per Eilkurier dem Büro des Generalsekretärs übermittelt hat. Der Brief des Kanzlers an Gorbatschow, den Specht im Reisegepäck mitführte. Gundelach weiß, was drinsteht: Der Kanzler erklärt sich bereit, spätestens im Oktober die UdSSR zu besuchen. Nun also doch.
    Specht mißt sich großen Anteil am Sinneswandel des Pfälzers bei: im Präsidium habe man Klartext mit ihm geredet. Am Tag vor der Abreise dann der Brief, die erlösende Zusage, die einstweilen noch als geheime Kommandosache behandelt wird. Vielleicht hat sie aber den Adressaten noch gar nicht erreicht? Vielleicht ist das Protokoll, wie es Protokolls Art ist, zu unflexibel, um auf die jüngste Wende zum Besseren schon reagieren zu können?
    Wohl doch nicht. Die Unterredung mit Silajew, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrats der UdSSR, verläuft planmäßig und in guter Atmosphäre. Bei der Kranzniederlegung am Grab des Unbekannten Soldaten an der Kremlmauer geraten die des Russischen mächtigen Korrespondenten und Botschaftsangehörigen gar in erstaunte Aufregung: erstmals habe der diensthabende Offizier in seiner Meldung nicht von ›Opfern des Kampfes gegen den Faschismus‹ gesprochen, sondern allgemein vom ›Kampf für Frieden und Freiheit‹. Eine Geste, die Specht als politischen Vertreter der deutschen Nachkriegsgeneration würdigen soll? Ein verschlüsseltes Dankeschön dafür, daß er den Kanzler vorigen Herbst brieflich aufgefordert hat, auf die Modernisierung der Pershing-Raketen zu verzichten? Oder aber eine generelle neue Sprachregelung?
    Zeiten des Wandels, Zeiten der Astrologie.
    Danach wieder quälende Ungewißheit: Specht im Außenministerium, und Edward Schewardnadze läßt auf sich warten. Grollt er? Kommt er am Ende gar nicht? Er kommt, verspätet, und ist förmlicher, kühler, als man ihn vom letzten Zusammentreffen in der Bonner Botschaft der Sowjets in Erinnerung hat. Beklagt sich, wieder einmal, über die ›verdammte Cocom-Liste‹, die den Export hoch technologischer Güter in kommunistische Länder verbietet. Zeigt sich verstimmt über die Aufstellung einer deutsch-französischen Militärbrigade. Sagt auffallend wenig über das morgige Spitzenereignis. Specht wiegelt nach Kräften ab, ist aber deutlich verunsichert, als der Außenminister ihn nach einer halben Stunde zur Tür geleitet. Gundelach spürt das. Eine halbe Stunde Unterredung ist nicht berauschend. Man hatte erheblich mehr Zeit eingeplant.
    Wenn schon der Außenminister so wenig Engagement zeigt, wie wird das erst bei seinem Chef werden? Hinter den Schläfen pulsiert die Viertelstundenangst.
    Den Journalisten erzählt man Staatsmännisches. Beim Abendessen im Haus der Russischen Föderation hellen sich die Mienen wieder auf. Nicht Tabejew vertritt diesmal Worotnikow, der einflußreiche ZK-Sekretär Anatolij Dobrinyn gibt dem Gast die Ehre. Dobrinyn, der Deutschlandkenner, der Außenpolitiker. Gorbatschow hält große Stücke auf ihn. Und Dobrinyn sprüht vor guter Laune. Das läßt hoffen. Die Hoffnung trägt bis ins Pressezentrum des Außenministeriums, wo routinemäßig ein Empfang für Spechts journalistischen Begleittroß gegeben wird. Wird genährt, befeuert, als Anatolij Frenkin erscheint.
    Der gute Frenkin! Ganze Arbeit hat er geleistet, mehr als Gundelach je zu hoffen wagte. In der Wochenzeitung des russischen Schriftstellerverbands ›Literaturnaja Gaseta‹ hat er Oskar Specht hymnisch als den ›dynamischsten und tüchtigsten deutschen Christdemokraten‹ gepriesen, über den in der Bundesrepublik ›offen als künftiger Kanzler‹ gesprochen werde. Und das staatliche Fernsehen, heißt es, habe diese Formulierung in einem Vorbericht übernommen.
    Was will man mehr? Gundelach kennt Frenkin seit dessen Bonner Korrespondentenzeit. Hat ihn des öfteren auf Schloß Monrepos eingeladen, hat ihm ein Exemplar der ›Wende nach vorn‹ mit langer, persönlicher Widmung Spechts verschafft. Frenkin ist begeistert von dem Buch, er will es unbedingt ins Russische übersetzen. Es kursiere, sagt er, sogar im Zentralkomitee. Wie zum Beweis dafür hat Tabejew bei der Begrüßung Spechts aus der ›Wende nach vorn‹ zitiert. Das macht Eindruck; Frenkins Eloge, vom Sprachendienst der Deutschen Botschaft eilends übersetzt, noch mehr.
    Wrangel, denkt Gundelach, wäre zufrieden mit mir. Und er umarmt den

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