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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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Vertrauenswürdigkeit der DDR-Führung hegen. Gerade in einem gemeinsamen Haus ist es wichtig, daß sich die Beziehungen der unmittelbaren Nachbarn gut entwickeln und jene Kräfte unterstützt werden, die konstruktiv und guten Willens sind. Der Reise- und Besucherverkehr, den Sie erwähnt haben, Herr Generalsekretär, ist für uns ein besonderer Gradmesser dieses guten Willens. Wir wären deshalb dankbar, wenn die lockere Handhabung der DDR-Vorschriften durch die dortigen Behörden nicht nur vorübergehend erfolgen, sondern auf Dauer fortgesetzt würde.
    Es gab keinen Widerruf! warf Gorbatschow mit einem Unterton von Verwunderung ein. Ich wüßte jedenfalls nichts davon.
    Das ist erfreulich zu hören, antwortete Specht, der inzwischen jede Befangenheit abgelegt hatte. Und es stellt eine gute Voraussetzung für den Besuch des Bundeskanzlers dar, den er Ihnen in seinem persönlichen Schreiben für September oder Oktober dieses Jahres vorgeschlagen hat. Helmut Kohl hat mich darüber hinaus vor meiner Abreise gebeten, Ihnen seine besten Grüße zu übermitteln.
    Ich darf Sie schon jetzt bitten, dem Herrn Bundeskanzler besonders herzliche Grüße meinerseits zu überbringen und ihm zu sagen, daß ich mich auf seinen Besuch freue!
    Eine Pause trat ein. War das ein Zeichen zum Aufbruch? Das Gespräch dauerte bereits über eine Stunde. Andererseits: ›Schon jetzt‹ hatte Gorbatschow, der seine Worte sorgfältig wählte, gesagt … Und Wirtschaftsfragen waren überhaupt noch nicht behandelt worden.
    Noch ein halbes Stündchen, dachte Gundelach, dann hätten wir Strauß übertroffen! Mach weiter, Oskar, mach einfach weiter!
    Und Specht machte weiter.
    Lässig, als wäre er mit der prunkenden Atmosphäre des Kreml jetzt erst so richtig vertraut geworden, setzte er zu einem umfänglichen Diskurs über den Zustand der Weltwirtschaft an, deren beherrschendes Merkmal der rapide wachsende Zwang zur internationalen Arbeitsteilung sei. Für die Europäer verschärfe und beschleunige sich das Problem durch den heranrückenden Binnenmarkt, sagte er, doch sei dies ein heilsamer Zwang. Die Firmen würden nämlich auf diese Weise frühzeitig mit der Tatsache konfrontiert, daß sie nur mit Produktionen von gewaltiger Wertschöpfung und wirtschaftlich-technischen Kooperationen überleben könnten.
    Er frage sich immer wieder, fuhr er, den Finger an die Nase führend, fort, warum solch eine arbeitsteilige und kostensparende Zusammenarbeit eigentlich nur mit den USA oder mit Asien möglich sein solle, nicht aber mit Osteuropa oder mit Betrieben der DDR. Es gebe nach seiner Überzeugung keine prinzipiellen, sondern nur praktische Schwierigkeiten, und die seien überwindbar. Wenn es gelinge, ein paar ökonomische Gemeinschaftsprojekte auf die Beine zu stellen, werde das eine enorme Sogwirkung ausüben, da kenne er seine Unternehmer genau. Deshalb werde er morgen mit der Industrie- und Handelskammer von Leningrad die Durchführung gemeinsamer Managementseminare vereinbaren, und er könne sich gut vorstellen, daß man auch ein Seminar über Weltmarktstrategien abhalten könne …
    Da war Oskar Specht also nun in seinem ureigensten Element. Mehrfach mußte ihn der Dolmetscher bitten, im Redefluß innezuhalten, um ihm die Chance zur wortgetreuen Wiedergabe zu lassen. Auch Kamenzew schrieb eifrig mit, und sogar Gorbatschow hatte einige Male zum Füllfederhalter gegriffen.
    Wahrscheinlich hatte Specht noch eine Reihe weiterer Ideen ausbreiten wollen. Doch Gorbatschow, nun wieder Führer einer Weltmacht, zog das Gespräch an sich und resümierte.
    Ich stelle mit Befriedigung fest, sagte er, daß zwischen uns in Fragen der Friedenssicherung weitgehend Übereinstimmung besteht. Ich möchte nochmals unterstreichen, daß die Sowjetunion bereit ist, große Anstrengungen zu unternehmen, um bei der konventionellen Abrüstung zu raschen und deutlichen Fortschritten zu gelangen. Wir sind zu einer erheblichen Reduzierung unseres Waffenpotentials, auch im Mehrfach-Verwendungsbereich, bereit. Wir müssen jedoch auf der anderen Seite Klarheit über die Zukunft der atomaren Kurzstreckensysteme haben. Sogar Herr Strauß und Herr Dregger haben in jüngster Zeit darauf hingewiesen, daß Raketen unter 500 Kilometern Reichweite für die Sowjetunion eine besondere Bedrohung darstellen.
    Er legte eine Pause ein, dann fügte er mit veränderter, leiserer Stimmer hinzu: Wer von uns hätte noch vor zehn Jahren zu hoffen gewagt, daß sich die Beziehungen zwischen unseren

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