Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf
Impfungen ausgeben müssen, und das hatte einiges von dem sowieso schon kleinen Gewinn weggefressen, den er sich ausgerechnet hatte. Und nun spannte ihn der Bürgermeister auch noch für seine Spielchen ein.
In seiner Verdrossenheit schaltete er die Gänge auf dem letzten Stück zur Épicerie so heftig herunter, dass es krachte, und als er vor dem Laden hielt, trat er sehr viel heftiger auf die Bremse als beabsichtigt. Er machte den Motor aus und blickte zum Schaufenster hinüber, hinter dem er mehrere Gestalten ausmachte. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Véronique Estaque. Er konnte sehen, wie sie sich auf die Theke lehnte. Der Stoff ihres Rocks straffte sich, und ihre wohlgeformten Rundungen zeichneten sich darunter ab. Seine Handflächen begannen zu schwitzen.
Gott, was war denn nur los mit ihm? Bei allem, was im Moment vor sich ging, hatte sein Hirn doch sicherlich anderes zu tun, als sich mit Véronique Estaques Hintern zu befassen!
Er riss seinen Blick davon los und entschied, einige Minuten zu warten, bevor er die Épicerie betrat. Bei seinem verzweifelten Versuch, den Blick auf das Schaufenster zuvermeiden, schaute er die Straße entlang zurück zur Auberge , die im Licht der Nachmittagssonne erglühte.
Er fragte sich, ob es richtig war, was sie da taten. Seine ehrliche Seele hatte arg an der hinterhältigen Natur des Plans zu knabbern gehabt, den der Bürgermeister am Abend zuvor umrissen hatte. Christian war in den frühen Morgenstunden aufgewacht, und die Gedanken waren ihm nur so durch den Kopf gerast; er hatte das Für und Wider des vorgeschlagenen Handelns abgewägt, bis ihn das Krähen des betagten Hahns aus dem Bett gejagt hatte. Schließlich war er zu dem Ergebnis gekommen, dass der Bürgermeister und Pascal nicht ganz unrecht hatten, wenn ihm ihre Lösung auch ein wenig drastisch erschien.
Letztendlich war das Restaurant für ihn ausschlaggebend gewesen. Er hatte dort mindestens dreimal die Woche gegessen und die Speisen genossen, die frei waren von dem aschigen Karbon-Nachgeschmack, der so typisch war für die Gerichte, die er zu Hause vorgesetzt bekam. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen, wenn er an Madame Loubets grandiose Bolognese-Soße und an ihr vortreffliches, althergebrachtes Cassoulet dachte, dessen Rezept sie wie einen Schatz hütete. Seiner Meinung nach wäre niemand je imstande, ihre ausgezeichnete Hausmannskost zu übertreffen. Am allerwenigsten irgendwelche Engländer.
Daher waren die Maßnahmen, die sie zu ergreifen gedachten, notwendig. Denn wenn das Restaurant scheiterte, hätte die Gemeinde darunter zu leiden, und das nicht nur in kulinarischer, sondern auch in finanzieller Hinsicht, da ein beträchtlicher Teil der Gemeindeeinnahmen aus der taxe professionnelle stammten, die das Restaurant zahlen musste. Und auch wenn dies brutal klingen mochte: Es war ganz und gar ausgeschlossen, dass dieses Lokal unter der Leitung eines Angelsachsen Erfolg haben würde.
Aus diesem Grund war Christian willens, die Abneigung niederzuringen, die er gegenüber der anstehenden Zusammenkunft empfand, und dies spiegelte sich auch auf seinem Gesicht wider, als er die Autotür öffnete.
Bringen wir’s hinter uns, dachte er.
»EschgibtdochböschtimmtnennannernWegumdaschulööschen!« Annie Estaque hielt inne, um Luft zu holen und ihr schlecht sitzendes Gebiss wieder in den Mund zurückzuschlürfen, was Josette die Gelegenheit gab, Christians Ankunft zu bemerken, der niedergeschlagen auf die Ladentür zugeschritten kam. Seine normalerweise heitere Miene wurde von einem Stirnrunzeln verdunkelt.
»Und hier kommt der Mann, dem sie bestimmt einfällt«, sagte Josette, als Christian mit hängenden Schultern zur Tür hereinkam.
»Was soll mir einfallen?«, fragte er, als er sich herabbeugte, um Annies ledrige Wangen zu küssen, die ein langes Leben als Bäuerin knittrig und faltig gemacht hatte.
»Eine andere Lösung, um diesen Schlamassel mit der Auberge in Ordnung zu bringen. Véronique hat uns gerade erzählt, worum es gestern Abend ging, und Annie hält nicht viel vom Plan des Bürgermeisters.«
Als ob sie ihren Standpunkt noch einmal unterstreichen wollte, schnaubte Annie, stieß dann ein trockenes, stoßweises Husten aus und fuhr sich mit dem Ärmel ihrer Strickjacke über den Mund.
»Du meine Güte, Maman!« Véronique rümpfte angewidert die Nase, und eine ungewöhnliche Verlegenheitsröte erschien auf ihren Wangen, als sich Christian vorbeugte, um sie zu begrüßen.
»Also?«, fragte
Weitere Kostenlose Bücher