Montgomery u Stapleton 02 - Das Labor
die Pathologie entschieden?«
»Um Gottes willen, nein!« erwiderte Jack. »Damals wollte ich einen sauberen, technisch anspruchsvollen und lukrativen Job haben, der mich auch in emotionaler Hinsicht glücklich machen sollte. Ich bin Augenarzt geworden.«
»Und was ist dann passiert?«
»Meine Praxis wurde von AmeriCare geschluckt. Und da ich weder für den Laden noch für irgendeinen ähnlichen Giganten arbeiten wollte, habe ich umgesattelt. ›Umsatteln‹ ist heutzutage das Zauberwort für überflüssige Fachärzte.«
»Ist Ihnen das schwergefallen?« bohrte Terese weiter. Jack antwortete nicht sofort. »Ja, es war sehr schwer«, sagte er schließlich. »Vor allem, weil ich mich schrecklich einsam gefühlt habe.«
Terese wagte einen vorsichtigen Blick in Jacks Richtung. Nicht im Traum hätte sie damit gerechnet, daß er ein Typ war, der unter Einsamkeit litt. Sie hatte angenommen, daß er sein Einsiedlerleben frei gewählt hatte. Und jetzt sah sie, daß er sich verstohlen mit dem Handrücken durchs Auge wischte. Terese war verwirrt.
»Wir sind da«, verkündete Jack. Er schloß die Tür zu seinem Büro auf und knipste das Licht an.
Der Raum sah noch schlimmer aus, als Terese befürchtet hatte. Es war ein winziger Schlauch. Die grauen Metallmöbel wirkten alt und abgenutzt, die Wände brauchten dringend einen Anstrich. Ziemlich weit oben in der Wand befand sich ein kleines, schmieriges Fenster.
»Zwei Schreibtische?« fragte Terese erstaunt. »Chet und ich teilen uns das Büro«, erklärte Jack. »Welcher Schreibtisch gehört Ihnen?«
»Der unordentliche«, erwiderte Jack. »Wegen dieser Pestgeschichte ist mehr Arbeit liegengeblieben als sonst. Ich bin fast immer im Rückstand. Das liegt daran, daß ich mir mit den Berichten mehr Mühe gebe als andere.«
»Dr. Stapleton!« rief plötzlich eine Stimme aus dem Hintergrund.
Es war Janice Jaeger, die Pathologie-Assistentin. »Der Mann vom Sicherheitsdienst hat mir gesagt, daß Sie hier sind«, erklärte sie, nachdem Jack sie mit Terese bekannt gemacht hatte. »Ich habe schon versucht, Sie zu Hause zu erreichen.«
»Was gibt es denn?«
»Das Labor hat heute abend angerufen. Sie wissen schon, das Labor, das das Lungengewebe von Susanne Hard analysiert hat. Der Immunofluoreszenstest war positiv. Und wissen Sie, was sie hatte? Tularämie!«
»Das ist doch nicht Ihr Ernst!« Jack riß Janice das Blatt aus der Hand und starrte es ungläubig an. »Was ist denn Tularämie?« fragte Terese. »Eine andere Infektionskrankheit«, erklärte Jack. »Sie verläuft in gewisser Weise ähnlich wie die Pest.«
»Und wo war das Opfer in Behandlung?« fragte sie weiter, obwohl sie die Antwort schon ahnte.
»Im Manhattan General«, erwiderte Jack und schüttelte den Kopf. »Ich fasse es nicht! Das ist doch absolut unmöglich!«
»Ich muß wieder an die Arbeit«, sagte Janice. »Wenn ich irgend etwas für Sie tun kann, melden Sie sich!«
»Vielen Dank, Janice«, sagte Jack. »Ich will Sie nicht weiter aufhalten.«
»Ist Tularämie genauso gefährlich wie die Pest?« fragte Terese, als Janice gegangen war.
»Es ist schwierig, die beiden Krankheiten zu vergleichen«, erklärte Jack. »Tularämie ist auf jeden Fall schlimm. Vor allem die pulmonale Form ist äußerst ansteckend. Schade, daß Susanne Hard nicht mehr lebt. Sonst hätte sie uns genau beschrieben, wie furchtbar sie gelitten haben muß.«
»Und warum waren Sie so überrascht? Kommt die Krankheit etwa so selten vor wie die Pest?«
»Nein, ganz so selten ist sie nicht«, sagte Jack. »Sie tritt in einem breiteren Gebiet der USA auf als die Pest. Vor allem in den südlichen Staaten, zum Beispiel Arkansas. Aber genau wie die Pest tritt sie eigentlich nie im Winter auf - zumindest nicht hier oben im Norden. Wenn wir überhaupt mal einen Fall von Tularämie haben, dann höchstens im Spätfrühling oder im Sommer. Genau wie die Pest bedarf die Tularämie eines Überträgers, um auf den Menschen überzugehen. Anstelle der Rattenflöhe sind es meistens Zecken und Rotwildflöhe.«
»Jede Zecke oder jeder x-beliebige Rotwildfloh?« hakte Terese nach. Ihre Eltern besaßen ein Ferienhaus in den Catskills, und im Sommer fuhr sie sehr gern dorthin. Es lag in einer abgeschiedenen Gegend inmitten von Feldern und Wäldern. Zecken und Rotwildflöhe gab es dort mit Sicherheit en masse.
»Als Reservoir für die Bakterien dienen kleine Säugetiere«, erklärte Jack. »Vor allem Nagetiere und insbesondere Kaninchen.« Er wollte
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