Mord am Mirador (Ein Gomera-Krimi) (German Edition)
hier.“
„Ja, es gibt keinen schöneren Ort auf der Welt. Es ist wie im Paradies. Jedenfalls, solange die Policia ein Auge zudrückt und uns hier toleriert. Das letzte Mal, dass sie uns von hier vertrieben hatten, war vor zwei Monaten. Vermutlich liegt die nächste Vertreibung bald wieder an.“
Sie seufzte und sah sich nach den Kindern um, die vorhin noch am Eingang getollt hatten. „Januschin, Mareike und Anastasia! Ihr kommt sofort wieder herein!“, brüllte sie nach draußen.
Januschin, der in seinem kurzen Hemd und sonst nichts eindeutig als das Söhnchen zu erkennen war, lugte um den Zeltpfosten am Eingang.
„Warum, Mama? Es regnet doch gar nicht mehr!“
Die Mutter sah zum Zeltdach hinauf und lauschte. „Tatsächlich. Es scheint vorbei zu sein. War wohl doch nur ein kurzer Schauer.“
Das war für Isabella und mich das Signal, sofort auf die Füße zu springen.
„Na prima, dann können wir wieder los“, sagten wir wie aus einem Mund.
„Schade, war nett mit euch“, sagte die Mütterliche.
„Ja, wir fanden es auch nett“, sagte ich artig. Ich begann, das geliehene Hemd auszuziehen. „Das lass ich natürlich hier.“
Aber die Mütterliche sagte sofort: „Ach Quatsch! Du willst doch nicht dein nasses Hemd wieder anziehen. Du holst dir doch den Tod. Tommy kann es dir ruhig überlassen, nicht Tommy?“ (Die Mädchen protestierten enttäuscht. Ich war hingegen froh.) „Und Christina braucht ihre Bluse auch nicht mehr, die hat sowieso zu viele Klamotten.“
Wir bedankten uns und winkten in die Runde, dann traten wir aus dem Zelt heraus. Der Regen hatte tatsächlich aufgehört. Die Sonne schien wieder, und der Strand dampfte, weil sie mit ihrer Kraft die Feuchtigkeit schnell verdunsten ließ.
Isabella eilte vorweg, die nasse Bluse über ihrem Arm, und sprang in das Boot. Angesichts der unerwarteten Gastfreundschaft der Hippies war es fast unhöflich, wie schnell sie zum Aufbruch drängte. Ich folgte ihr etwas langsamer. Da berührte eine Hand meinen Arm und hielt mich fest.
Ich drehte mich um und sah in zwei porzellanblaue Augen.
Auf einmal fiel mir ein, wer diese „Christina“ war, sie brauchte es mir nicht zu sagen.
Das tat sie auch nicht, sondern sagte nur: „Ich habe auf dich noch lange gewartet, an dem Abend. Aber du bist nicht zurückgekommen. Ich wusste auch nicht, wo ich dich auf der Insel suchen sollte. Ich bin froh, dass ich dich endlich gefunden habe.“
Ich sah sie an. Dann überfiel es mich: ich warf meine Arme um sie herum und drückte sie an mich. Sie war ziemlich hager, Ich konnte die Kanten ihrer Schulterblätter unter meinen Händen spüren.
„Du weißt nicht, wie ich mich freue, dich wiederzusehen“, sagte ich ihr, „ich hatte alle Hoffnung aufgegeben. Ich wurde an dem Abend aufgehalten. Auch ich wusste nicht, wo ich dich suchen sollte. Ich dachte, du wärst zurück nach Deutschland gereist.“
Ich schob sie jetzt etwas weg von mir und sah sie von oben bis unten an.
„An dem Abend sahst du deutlich eleganter aus.“
Sie lachte: „Ja, das war vor meinem neuen Leben.“
Isabella rief mir ungeduldig zu: „Jan, wo bleibst du? Soll ich ohne dich zurückfahren?“
Ich sah zum Boot. Sie saß im Heck, schirmte ihre Augen mit einer Hand und schaute herüber.
Ich war unschlüssig. Jetzt, da ich Christina endlich entdeckt hatte, wollte ich sie nicht so schnell wieder verlieren.
„Kannst du heute Abend ins Valle kommen?“, fragte ich hastig.
„Ja, klar. Kein Problem. Wir treffen uns um Sieben an einer der Bänke am Babybeach, abgemacht?“
Der Babybeach war ein kleiner, geschützter Strand gegenüber vom „Charco del Conde“, einem großen Touristenhotel.
Ich nickte. „Gut. Ich werde da sein.“
„Wirklich?“, fragte Christina, „Oder wieder so wie beim letzten Mal?“
„Wirklich.“ Zur Bestätigung drückte ich ihren hageren Körper noch einmal gegen mich. Fast war es auch zu meiner eigenen Beruhigung. Ich wollte mich vergewissern, dass sie echt sei, und nicht einfach ein Gespinst meiner Fantasie.
Dann eilte ich zu Isabella und ihrem Boot.
Mit einem Satz sprang ich hinein und setzte mich auf meine Bank. Ich glaube, dass ich vor Freude grinste.
Isabella sagte kein Wort, sondern warf den Motor an und fuhr los. Ich legte meinen Kopf auf die Seite und sah sie an. Ihre Haare waren noch immer feucht, aber kringelten sich schon wieder an den Spitzen, wo sie begannen, zu trocknen. Das Hippieflatterhemd war rosa-grün gestreift. Es stand ihr wahnsinnig
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