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Mord im Bergwald

Mord im Bergwald

Titel: Mord im Bergwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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147 000 Hektar Schutzwald, das sind etwa sechzig Prozent der Gesamtwaldfläche. Die Schutzfunktion kommt nur dann zum Tragen, wenn die Pflanzengesellschaft aus einem sinnvollen Mix von Nadel- und Laubbäumen besteht. Idealerweise sind das ungleichaltrige und gemischte Wälder, wo junge Bäume einspringen können, wenn alte ausfallen. Da hat die Tanne eine besonders wichtige Aufgabe, denn sie kann sehr lange im Schatten alter Bäume überleben.«
    Heureka!, dachte Irmi. Das ist er, der alte Orlowski. Er holte kurz Luft. Irmi wartete. Dann fuhr er fort: »Ich bin wahrlich für Ökologie, aber es kann doch nicht angehen, dass politische und gesellschaftliche Gruppierungen auf den Plan treten, die rufen: Überlasst die Wälder sich selbst! Wenn nun aber das Wasser im Keller eines solchen Die-Natur-hilft-sich-selbst-Vertreters steht, dann sieht es plötzlich anders aus. Wieso hat der Staat nicht geholfen?, heißt es da. Fakt ist nun mal: Die Alpen sind seit Jahrhunderten ein Kulturraum! Holz wurde im Mittelalter fürs Salzsieden gewonnen, schon ab dem 15. Jahrhundert erzwang die zunehmende Besiedlung Rodungen der Hochlagen. Der bayerische Alpenraum ist heute Lebens- und Wirtschaftsraum für rund 450 000 Menschen, es besteht momentan eine Besiedlungsdichte von vierhundert Einwohnern pro Quadratkilometer. Das ist viermal so viel wie vor hundertfünfzig Jahren.«
    »Herr Orlowski, das ist ja alles schön und gut, aber Ihr Verein tritt doch schließlich auch für die Erschließung von Verkehrswegen ein und legt sogar Wanderwege an. Der DAV baut Hütten und versiegelt die Alpen. Da stehen doch auch Eigeninteressen im Mittelpunkt.« Irmi sah ihn herausfordernd an, Orlowski reagierte aber ziemlich cool.
    »Ja, das stimmt. Aber ich weiß, dass die paradiesischen Zustände der Urwälder vorbei sind, und zwar unwiederbringlich! Polemik und Extrempositionen sind fehl am Platz. Wir gehen in die Berge, natürlich. Sie doch auch. Aber ich versuche Jugendlichen und auch Erwachsenen das Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur zu erklären. Drum engagiere ich mich auch für die Schutzwaldsanierung.«
    Zweifellos wusste Orlowski zu reden und zu argumentieren. Irmi konnte sich vorstellen, dass die kleine Lehrerin beeindruckt gewesen war. Wahrscheinlich war er gar nicht so unrecht, wenn man die übertriebene Selbstdarstellung abzog. Allein – er war wahrscheinlich ein Mörder. Irmi versuchte, sich zu konzentrieren. »Und das wollten Sie den Politikern vortragen?«
    »Ja, genau. Aber momentan geht es ja nur noch um den Milchpreis. Ich wollte mal andere Schlaglichter werfen.«
    Schlaglichter wollte der Mann werfen, so so! Irmi runzelte die Stirn. »Schön, so weit verstehe ich das ja. Und wie kommt nun Pius Fichtl ins Spiel?«
    »Fichtl hat gesagt, dass unsere Pflanzen sowieso verrecken. Er hat mich ausgelacht, als ich in der Früh ein paar Pamphlete entrollt habe.«
    »Und wie kam er zu dieser Annahme?«, fragte Kathi, und Irmi wunderte sich wie schon öfter über Kathis Formulierungen. Plötzlich konnte sie intellektuell wirken, ein paar Sekunden später hingegen benahm sie sich wie die Wutz im Walde.
    »Weil er meinte, dass bei unseren Pflanzen die Triebe nicht genug verholzt seien und dass das Saatgut nicht von Pflanzen aus der entsprechenden Höhenlage stamme.«
    Irmi fühlte sich ähnlich wie bei Andreas Vortrag zur Kaltblutzucht. Sie lebte hier, zwischen Pferden und am Fuße der Berge – und doch wusste sie so wenig. Auch war ihr nicht klar, wohin das alles führen sollte. »Hatte er denn recht?«, fragte sie lahm.
    »Ja, natürlich. Es hat sich nämlich gezeigt, dass bereits wenige Höhenmeter einen erheblichen Unterschied im Erbgut ausmachen. Unsere Pflanzen haben jedoch das richtige Erbgut und stammen von einer Spezialfirma in Traubling.«
    »Na, und wo ist das Problem?«, fragte Kathi.
    »Ach, dieser Fichtl hat mein ganzes Engagement infrage gestellt, sich über meine Leute lustig gemacht. Er hat behauptet, das alles sei nichts als ein Tropfen auf den heißen Stein und dass er und Vitus in der gleichen Zeit ohne die Alpenvereinsbehinderung das Doppelte schaffen würden.«
    Alpenvereinsbehinderung. Schönes Wort, dachte Irmi, und wahrscheinlich hätte Vitus da vorbehaltlos zugestimmt.
    »Dieser Fichtl wollte mich einfach nur provozieren und vor seiner Freundin lächerlich machen«, sagte Orlowski.
    »Der Sie, Herr Orlowski, schöne Augen gemacht haben! Dabei war der Junge dreißig Jahre jünger als Sie und das Mädchen noch

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