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Mord im Bergwald

Mord im Bergwald

Titel: Mord im Bergwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Geräte, um Soldaten im Bergkampf zu orten, oder. Er meinte, dass so was eigentlich gar nicht an die Öffentlichkeit gelangen dürfe.«
    Irmi hatte die Lippen gekräuselt. »Kann es sein, dass Mittenwald an dieser Erprobungsphase beteiligt ist?«
    »Fritz sagt, das ist mehr als wahrscheinlich, denn die Erprobung ist ja nur unter solchen Bedingungen sinnvoll, unter denen das Material später mal verwendet wird. Mit Sicherheit handelt es sich nur um einen kleinen Kreis, der damit zu tun hat, und es ist auf jeden Fall geheim.«
    Irmi gab ein »Pfft« von sich. »Das ist ja ein Ding! Dann verrate ich dir auch was.« Sie berichtete von Sailer und ihrem Anruf im Kreiswehrersatzamt.
    »Peter Fichtl! Klar, der ist Gebirgsjäger. Was, wenn er einer aus dem Erprobungsteam ist?«
    »Sehr wahrscheinlich! Und was macht seine Jacke in der Nähe des Mountainbikes seines Bruders?«
    »Wow! Dann hast du doch recht gehabt. Es ging um den Hof, Peter Fichtl wollte verhindern, dass Pius verkauft. Es kam zum Streit. Er haut seinem Bruder den Stein auf den Kopf. Muss ja nicht mal Vorsatz gewesen sein. Der Streit ist einfach eskaliert, oder«, meinte Kathi.
    Tja, dachte Irmi. Einfach eskaliert. So oft wie Kathi hochkochte, war das in ihrer Welt fast normal. Irmi hatte auch Zoff mit ihrem Bruder, aber ein Streit würde bei ihnen nie so eskalieren, dass es zu Handgreiflichkeiten käme. Es gab Grenzen, die man nicht verletzte. Barrieren, die ein Wertesystem oder auch der Glaube aufgerichtet hatten.
    Irmi fühlte sich auf einmal müde, obwohl sie doch wach und voller Tatendrang ins Büro gekommen war. Sie sah die blauen Augen von Peter Fichtl vor sich.
    »Dann ist Peter Fichtl aber ein guter Schauspieler. Als er seinen Bruder vermisst gemeldet hat, da hat er wirklich betroffen und verzweifelt gewirkt!«
    »Muss ich dir das sagen? Man kann nicht reinschaugn in de Leit. Diese Bauernschädel werd ich nie verstehen.«
    Das war mal wieder typisch Kathi. Kathi aus der Lehrerfamilie. Sie, Irmi, war ja auch so ein Bauernschädel. Kathi hatte keinerlei Gespür für die Fettnäpfe, in die sie ständig trat. Und dann hatte sie leider auch noch recht. Bloß weil Peter Fichtl so schöne blaue Augen hatte, war er noch lange kein Heiliger.
    »Und nun?«, fragte Kathi.
    »Fahren wir zu den Fichtls«, beschloss Irmi.
    Dieser Spätsommertag hatte wohl erneut beschlossen, sich für die vielen Flutwellentage des Frühsommers zu entschuldigen. Die Autos mit den seltsamsten Kennzeichen krochen dahin. Warum konnten Touristen nicht einfach mal anhalten und sich von einer Parkbucht aus sattsehen, anstatt mit fünfzig auf der Bundesstraße jeder Schnecke Konkurrenz zu machen? Und warum dauerte die Saison so lange? Der graue November hatte nur einen Vorteil: er war tourifrei!
    Die Luft war klar, glasklar und rein, und wie immer kurz vor Klais versetzte es Irmi diesen Stich. Soiernspitze, Wörner, Karwendelspitze – hier aus gebührender Entfernung standen sie da wie eine gewaltige Mauer. Das Karwendel war so abweisend, so gewaltig. Im Sonnenlicht gaukelte es Sanftmut vor, doch in Wirklichkeit war es heimtückisch und zornig. Wetterumstürze kamen schnell, die Nebel hingen zäh – kein Wunder, dass Mittenwald eine hohe Selbstmordrate hatte. Solch eine Umgebung erforderte entweder Mut oder Demut. Nichts dazwischen.
    Irmi bog in Klais rechts ab, Kathi runzelte die Stirn.
    »Ich nehm die alte Straße, und dann geht's über die Bahn. Ich find den Hof sonst nicht«, erklärte Irmi.
    Die labyrinthischen Buckelwiesensträßchen rangen auch Kathi ein »Wow, wie aus dem Bayernkalender« ab. Eine Gegend mit einem ganz seltsamen Zauber, eine Gegend, die einen verschluckte und aufsog und der Zivilisation entfremdete.
    Irmi bog in die Zufahrt zum Hof, der wie ausgestorben dalag. Im Stall waren die Kühe mit Wiederkäuen beschäftigt, ein paar Hennen scharrten lustlos im Sand, die dreibeinige Katze schlief auf dem Hausbankerl. In dem kleinen Obstgarten dösten drei Haflingerstuten, zwei Fohlen lagen im Gras und spielten totes Pferd. Ruhe. Keine Reaktion – weder auf Rufen noch auf Klopfen.
    Von irgendwoher kam ein Mann auf einem Uraltfahrrad angeradelt, wohl ein entfernter Nachbar. In der direkten Umgebung gab es nur wogende Buckelwiesen.
    »De san ned do«, sagte der Mann.
    »Wissen Sie, wo sie sind?«
    »Die Afra und der Bartl warn im Sonntagsg'wand.«
    Aha, das hieß wohl, dass sie zur Kirche gegangen waren.
    »I moan, de san auf Mittenwald zum Essen zur Schwägerin.«
    Nun

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