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Mord im Nord

Mord im Nord

Titel: Mord im Nord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Giger
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Geschichte von jenem Käse zu hören, den mittlerweile alle Eingeweihten nur noch «Appenzeller Secret» nannten. Nachdem wir uns endlich ein Glas Wein und so gegönnt hatten, legte ich los.
    Davon, dass ich kurz nach meinem ersten Fall auf verschlungenen Pfaden ins streng geheime Bewahrungskomitee für das Geheimrezept von Appenzeller Käse berufen worden war, hatte ich Adelina schon erzählt. Und genau dort begann vor einigen Monaten die Geschichte von «Appenzeller Secret». Es war erst die zweite rituelle Versammlung des Bewahrungskomitees, an der ich teilnahm. Zunächst wurde nach dem bewährten Verfahren, das keinem der Beteiligten die volle Kenntnis des Geheimrezepts erlaubt, die übliche Menge Kräutersulz produziert, die bekanntlich dem Appenzeller Kä- se den unvergleichlichen Geschmack gibt, weshalb ihr Rezept unbedingt geheim gehalten werden muss.
    Das Ritual verlief ebenso feierlich und würdevoll, wie ich es beim ersten Mal kennengelernt hatte. Gegen Ende lockerte sich die Stimmung naturgemäss etwas auf, weil es ja zum Ritual gehörte, dass jede Runde des Produktionsprozesses mit einem Schluck Appenzeller Alpenbitter gekrönt wird. Da das Bewahrungskomitee aus sieben gestandenen Mannsbildern besteht, die alle ordentlich was vertragen, konnte man die Runde als höchstens ganz leicht angeheitert bezeichnen.
    Das kleine Detail, wonach das Bewahrungskomitee traditionsgemäss ausschliesslich aus Männern besteht und damit wohl eines der letzten solchen Gremien ausserhalb des Vatikans ist, hatte ich Adelina bisher verschwiegen. Sie regte sich einen Moment lang fürchterlich darüber auf, doch da der Appenzeller Secret noch nachwirkte und sie neugierig auf den Fortgang der Geschichte war, beruhigte sie sich rasch und hörte wieder zu.
    Die unverrückbare Tagesordnung des Bewahrungskomitees sieht vor, dass nach der Produktion der neuen Kräutersulz das Ergebnis einer früheren Produktion getestet wird. Konkret wird von jenem Käse gekostet, der mit der Kräutersulz aus der vorletzten Versammlung des geheimen Komitees eingerieben worden ist. Um das Geschmacksurteil nicht durch einen zu hohen Alkoholpegel zu trüben, wird eine Stunde lang nur Wasser ausgeschenkt, wobei es sich selbstverständlich um Appenzeller Mineralwasser aus dem nahen Gontenbad handelt. Sonst gibt es während dieser Stunde vor dem feierlichen Abschluss des rituellen Abends keine Vorschriften. Die Mitglieder des Bewahrungskomitees plaudern deshalb in dieser Zeit über dieses und jenes und nutzen sie zu dem, was man neumodisch «Networking» nennt.
    Die Stunde war fast vorbei, als ein Mitglied des Bewahrungskomitees um allgemeine Aufmerksamkeit bat. Der Name tut hier nichts zur Sache und muss natürlich geheim bleiben, also nennen wir ihn einfach mal Heiri. Heiri, ein Umweltschützer und Grüner der ersten Stunde, war mittlerweile in Ehren ergraut, was man seinem zotteligen Vollbart deutlich ansah. Er geht sommers wie winters barfuss, hatte sich auch mal politisch betätigt und ist mittlerweile ein anerkannter Experte für intelligente Energiekonzepte geworden. In das Bewahrungskomitee war er wie ich über das zweistufige Verfahren aus zufälliger und gezielter Auswahl gekommen, und er ist dort ein leuchtendes Beispiel für die weise Unvoreingenommenheit bei der Erneuerung dieses Geheimbundes.
    Heiri jedenfalls sagte in die entstandene Stille hinein, er habe ja bekannterweise früher so manchen Joint geraucht und so manches Pilzsüppchen gelöffelt und verfüge deshalb über einschlägige Erfahrungen. Die würden ihm sagen, dass er sich im Moment eindeutig auf einem kleinen Trip befände. Am Alkohol könne es nicht liegen, sie hätten ja eine Stunde lang nichts getrunken, und die beschriebene Wirkung habe erst vor Kurzem angefangen. Ob es den anderen auch so ginge?
    Der Zweite, der das Wort ergriff, war Moritz – auch das natürlich nicht sein richtiger Name. Auch er trägt einen Vollbart, ist aber sonst das Gegenstück zu Heiri, ein äusserst traditionsbewusster Milchbauer, der sich selbst, und den andere, eindeutig dem konservativen Lager zuordnen. Moritz äusserte sich dahingehend, dass er sich sehr wohl auch etwas «räuschelig» fühle, wie er sich ausdrückte.
    Es reihten sich nach und nach auch die anderen in den Chor jener ein, die von einer deutlich wahrnehmbaren Veränderung des Gemüts zu berichten wussten. Ich selbst hütete mich, auf eigene Erfahrungen mit veränderten Bewusstseinszuständen zu verweisen, da ich nicht wusste, ob

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