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Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Titel: Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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während sie ihm Tee und ein mit kaltem Fleisch belegtes Brot zurechtmachte, blieb er am sauber gescheuerten Küchentisch stehen und sah auf Uffie hinunter, die im Korb neben dem Herd lag und schlief. Ihre Nase zuckte, wohl, weil ihr der Fleischgeruch in die Nase stieg.
    Lächelnd nahm Pitt ein kleines Stückchen und hielt es dem Tier hin. Uffie nahm es sofort an.
    »Thomas, ich habe sie bereits gefüttert«, sagte Charlotte. Dabei lächelte sie, obwohl ihre Augen nach wie vor besorgt blickten.
    Er nahm das Tablett und trug es ins Wohnzimmer. Erst jetzt merkte er, wie hungrig er war und wie sehr ihn fror. Er stellte es auf den Tisch und sah zu, wie Charlotte den Tee eingoss. Er roch angenehm. Im Raum war es warm und still, wenn man vom leisen Knistern des Feuers im Kamin, dem Pfeifen des Windes und dem leisen Trommeln des Regens auf die Fensterscheiben hinter den geschlossenen Vorhängen absah. Er ließ den Blick über die vertrauten Bilder an den Wänden gleiten: die holländische Seelandschaft, die er so gut kannte, mit den sanften Blau- und Grautönen, still wie ein früher Morgen. An der anderen Wand hing eine Zeichnung von Kühen auf der Weide. Kühe schienen ihm eine besondere Schönheit zu besitzen. Sie strahlten eine Sicherheit aus, die ihm gefiel. Zum Teil hing das sicher mit Kindheitserinnerungen zusammen.
    Charlotte sah ihn abwartend an.
    Er sah das Dilemma deutlich vor sich: Wie viel durfte er ihr sagen, und wie groß war die Gefahr, dass er etwas Wichtiges übersah, wenn er ihr nicht genug sagte? Möglicherweise besaß sie das fehlende Teil des Puzzles, etwas, was ihr Adriana gesagt hatte und dessen Bedeutung ihr bisher nicht aufgegangen war.
    Auf jeden Fall musste er seine Worte sorgfältig wählen, denn wenn man sich nicht darauf verlassen konnte, dass er sich an den Diensteid hielt, den er geleistet und mit dem er Verschwiegenheit gelobt hatte, war er als Leiter des Staatsschutzes nicht länger tragbar und konnte auch Charlotte nicht schützen.
    Vorsichtig tastete er sich mit der Frage voran: »Du bist nicht davon überzeugt, dass Adriana Mrs. Montserrat umgebracht hat, nicht wahr?«
    »Nicht im Geringsten«, sagte sie sofort. »Ich weiß, dass deiner Ansicht nach Serafina die Schuld am Tod von Lazar Dragovic hatte. Doch selbst wenn das stimmen sollte – und ich bin nicht sicher, dass du damit recht hast –, hätte Adriana sie deswegen nie und nimmer getötet. Abgesehen von allem anderen wäre das von ihr ausgesprochen dumm gewesen. Serafina hätte ohnehin nicht mehr lange gelebt, sie hatte Schmerzen und quälte sich. Wenn man jemanden so sehr hasst, möchte man, dass dieser Mensch leidet, nicht aber, dass er sozusagen friedlich einschläft.«
    »Rache ist gewöhnlich dumm«, sagte er ruhig. »Einen Augenblick lang fühlt man sich dabei herrlich, dann legt sich die Wut, man fühlt sich leer und fragt sich, warum das Hochgefühl ausgeblieben ist, das man sich vorgestellt hatte.«
    Sie sah ihn an. »Hast du dich schon einmal an jemandem gerächt?«
    »Ich hatte die Absicht«, gab er zurück und erinnerte sich schamvoll an die Situationen, weniger wegen der Wut, die er empfunden hatte, als wegen der Sinnlosigkeit des Ganzen. »Es ging um Leute, die ich festgenommen hatte und deren Schuld ich nicht beweisen konnte, oder auch um solche, die ich nicht zu fassen bekam. Noch kürzlich musste ich einige äußerlich ruhig festnehmen, auf die ich am liebsten mit Fäusten losgegangen wäre.«
    Sie sah ihn erstaunt und zugleich neugierig an. »Darüber hast du noch nie gesprochen.«
    »Ich bin nicht stolz darauf.«
    »Sprichst du mit mir nur über Dinge, auf die du stolz bist?«, fragte sie herausfordernd.
    »Natürlich nicht.« Er lächelte trübselig, um der Sache den Stachel zu nehmen. »Ich hätte es dir wahrscheinlich gesagt, wenn ich es getan hätte.«
    »Weil ich sowieso dahintergekommen wäre?«
    »Nein, weil ich sonst meine Schwäche nicht besiegt hätte.«
    Sie lachte leise auf, und darin lag weder eine Anklage noch Kritik. »Was ist mit Adriana? Wenn sie es nicht war – wer dann? Und warum hat sie sich in dem Fall das Leben genommen?« Mit leiser Stimme fuhr sie fort: »Oder stimmt das gar nicht?«
    »Du warst ziemlich viel mit ihr zusammen«, wich er dieser direkten Frage aus. »Glaubst du, dass du sie dabei richtig kennengelernt hast? Ich möchte deine offene Meinung über sie hören. Bitte sag mir die Wahrheit, und beschönige nichts, nur, weil sie jetzt tot ist. Es kann viel davon abhängen,

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