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Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Titel: Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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das schon immer gewusst. Nur wer dabei anwesend war, konnte die näheren Umstände kennen.«
    Er sah, dass sie schwer schluckte.
    »Ach so, ja.« Jetzt hatte sie die Hände im Schoß so fest gefaltet, dass die Knöchel weiß hervortraten.
    »Wann hat Ihnen Ihre Großtante davon berichtet?«, beharrte er. »Und warum? Sie kann unmöglich gewollt haben, dass Sie das weitergaben – schon gar nicht an Mrs. Blantyre.«
    »Ich … kann mich nicht daran erinnern.« Sie holte tief Luft. »Vermutlich habe ich mir das aus ihren wirren Reden zusammengereimt. Sie hat manchmal sehr unzusammenhängend gesprochen. Das kann Ihnen Lady Vespasia bestätigen. Lauter Brocken, die keinen Sinn ergaben. Oft wusste sie nicht einmal, wer bei ihr war und hören konnte, was sie sagte.«
    »Und diese Brocken haben es Ihnen ermöglicht zu erkennen, dass Mrs. Blantyre die Tochter Lazar Dragovics war, Ihre Großtante ihn an die Österreicher verraten hat und sie und die kleine Adriana Zeuginnen seines Todes waren, der den Sinn des Mädchens verwirrt hat, obwohl sie nicht wusste, wer den Verrat begangen hatte.« Es gelang ihm nur mit Mühe, die Ungläubigkeit aus seiner Stimme herauszuhalten. »Später hat Mrs. Blantyre sich dann selbst die Wahrheit zusammengereimt, ebenfalls aus den wirren Reden Ihrer Großtante, und dabei so vollständig den Verstand verloren, dass sie sie ermordet hat, und zwar mithilfe der Opiumtinktur, von der sie zufällig wusste, dass sie sie nahm. Sie aber haben keinen Anlass gesehen, das nach der Ermordung Ihrer Großtante jemandem mitzuteilen. Sie sind ein außergewöhnlich komplexer Mensch, Miss Freemarsh, einfach brillant.« Er gab sich nicht mehr die geringste Mühe, den Sarkasmus aus seiner Stimme herauszuhalten.
    Erneut sah sie ihn aufmerksam an. Alle Farbe war jetzt aus ihrem Gesicht gewichen, sodass es grau aussah.
    »Ich … ich weiß nicht, was Sie meinen«, stotterte sie.
    »O doch, das wissen Sie sehr genau, Miss Freemarsh. Sie wissen erstaunlich viel über Mrs. Blantyres Vergangenheit, was Sie nicht von ihr erfahren haben können, da es ihr selbst nicht bekannt war. Ihren Worten nach bestand das einzige Motiv dafür, dass sie Ihre Großtante getötet hat, darin, dass sie von diesem Verrat gerade erst erfahren hatte. Offenbar war Ihrer Großtante nicht bewusst, dass Mrs. Blantyre das ihren Reden entnommen hatte, sonst hätte sie Vorkehrungen getroffen, sich zu schützen. Sie hätte zumindest Miss Tucker ins Vertrauen gezogen. Natürlich war Mrs. Blantyre im Zusammenhang mit dem Tod Ihrer Großtante sofort verdächtig, was die zwingende Annahme nahelegt, dass sie selbst es niemandem gesagt hätte. Woher haben Sie es also gewusst?«
    »Ich …« Sie schluckte erneut, als ringe sie nach Luft. »Ich habe es Ihnen doch schon gesagt. Ich … habe es Tante Serafinas wirren Reden entnommen, vermutlich genauso wie Mrs. Blantyre. Wenn sie das auf diese Weise erfahren hat, wieso können Sie dann nicht verstehen, dass es bei mir ebenso war?«
    »Weil Sie mir einreden wollen, dass sie auf diese Information hin tätig geworden ist, wohingegen Sie nicht einmal nach dem Mord an Ihrer Großtante etwas unternommen haben.«
    Sie war jetzt so starr, dass man sah, wie die Muskeln ihrer Schultern gegen den Stoff des Kleides drückten. Sie setzte zum Sprechen an, sagte aber nichts, sondern sah ihn herausfordernd an.
    Er wartete.
    »Es ist sinnlos, mir zu sagen, dass Sie das nicht verstehen«, sagte sie schließlich aufgebracht. »Mrs. Blantyre hat es von meiner Tante erfahren. Wie Sie deutlich gemacht haben, wusste außer ihr niemand etwas über die Hinrichtung Lazar Dragovics, den sie selbst an die Österreicher verraten hatte. Außerdem haben Sie darauf hingewiesen, dass ich nichts davon wissen konnte, weil ich damals noch gar nicht auf der Welt war.« In ihrer Stimme lag Triumph. Ihre Augen bekamen ihren Glanz wieder, und das Blut kehrte in ihre Wangen zurück.
    »Sie vermuten also, Mrs. Blantyre hat aus den wirren Reden Ihrer Großtante erfahren, was damals geschehen ist, und war sich dessen, was sie sich dabei zusammengereimt hat, so sicher, dass sie sie daraufhin umbrachte, ohne zuvor festzustellen, ob es der Wahrheit entsprach?«, hielt er ihr entgegen.
    Ihre Brauen hoben sich.
    »Festzustellen, ob es der Wahrheit entsprach? Was wollen Sie damit sagen? Bei wem denn?«, sagte sie in herausforderndem Ton. »Wo hätte sie so jemanden finden können? Hätte sie etwa nach Kroatien fahren und nach überlebenden Aufrührern aus der

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