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Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Titel: Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Leute dann reden, ganz gleich, welche Konsequenzen Sie ihnen angedroht haben mögen. Auch Ihre eigene Position verlangt, dass Sie Stillschweigen bewahren. Vorausgesetzt, es wird keine Anklage gegen Sie erhoben, werden Sie sich in einer günstigen finanziellen Lage befinden, die es Ihnen gestattet, zu tun und zu lassen, was Ihnen beliebt.«
    Ihre Augen weiteten sich ein wenig.
    »Wer war noch hier im Hause?«, wiederholte er.
    »Lord Tregarron.« Es war kaum mehr als ein Flüstern.
    »Aus welchem Grund?«
    »Wie bitte?«
    »Wollte er Sie oder Ihre Großtante besuchen? Vermutlich beides, sonst hätten Sie nicht so sehr gezögert, mir das zu sagen.«
    Sie räusperte sich. »Ja.«
    »Was wollte er von Ihrer Großtante? Waren die beiden miteinander befreundet?«
    Sie zögerte erneut.
    Er fragte nicht noch einmal.
    »Nein«, sagte sie schließlich und sprach abgehackt, als verursache ihr das beinahe körperliche Schmerzen. »Sein Besuch bei ihr war … ein Vorwand. Ich weiß nicht, ob er sich für mich interessiert hat – er hat das jedenfalls behauptet – oder ob es ihm um Tante Serafina und ihre Erinnerungen an … allerlei Dinge ging.«
    »Hat er längere Zeit mit ihr gesprochen?«
    »Nicht … lange. Ich …« Sie atmete mehrere Male ein und aus und bemühte sich, ihre Gefühle zu beherrschen. »Ich hatte den Eindruck, dass er sie nicht leiden konnte, das aber zu verbergen wünschte, und das nicht nur, weil sich das so gehörte oder um meine Empfindungen zu schonen.«
    »Danke«, sagte er aufrichtig. »Hat er sich in irgendeiner Weise für Mr. oder Mrs. Blantyre interessiert?«
    »Nicht … mehr, als ich erwarten konnte, wenn man bedenkt …« Sie ließ den Satz unbeendet.
    »Ich verstehe. Vielen Dank, Miss Freemarsh. Ich glaube, das ist zumindest einstweilen alles. Jetzt würde ich gern mit Miss Tucker sprechen.«
    Die Zofe bestätigte alles, was Nerissa Freemarsh gesagt hatte, und erklärte, dass Tregarron im Laufe der letzten vier oder fünf Wochen mehrfach ins Haus gekommen war.
    Pitt dankte ihr und ging. Seine Gedanken jagten sich, während er den Rückweg zu seinem Büro in Lisson Grove zu Fuß zurücklegte. Es ging nicht mehr um den Tod Serafina Montserrats oder Adriana Blantyres, sondern um andere Dinge.
    In erster Linie musste er sich mit Evan Blantyre und dessen Haltung beschäftigen. Hatte dieser ihm, Pitt, die Informationen über Herzog Alois aus Treue zu den Habsburgern zugespielt, deren Machterhalt ihm, wie es schien, nach wie vor wichtig war, obwohl er inzwischen für die britische Regierung arbeitete? In dem Fall und sofern er mit seinem Verrat an Lazar Dragovic sowie dem späteren Mord an Mrs. Montserrat und seiner Frau Adriana die Einheit im Herzen Europas aufrechterhalten wollte, durfte sich Pitt uneingeschränkt auf die Richtigkeit dieser Auskünfte verlassen. Dann würde es erst nach der Abreise des Herzogs nötig sein, sich mit der Anklageerhebung und dem Prozess gegen Blantyre zu beschäftigen. Sofern der Mann allerdings ein falsches Spiel trieb, sah die Sache gänzlich anders aus.
    In diesem Zusammenhang stellte sich die naheliegende Frage, wie sich Pitt nach Herzog Alois’ Abreise Blantyre gegenüber verhalten sollte. Was würde er tun können? Welche Beweise gab es? Er zweifelte nicht mehr daran, dass der Mann beide Morde begangen hatte, wohl aber daran, dass er hinreichende Beweise besaß, um einen so prominenten und hoch geachteten Mann wie Blantyre vor Gericht bringen zu können.
    Doch all das musste warten. Es war kaum noch Zeit bis zum Eintreffen des Herzogs in England. Die Ermordung einzelner Menschen, so tragisch sie sein mochte, würde neben den Auswirkungen eines politischen Mordes in London verblassen, insbesondere angesichts dessen, dass der Staatsschutz lange im Voraus darauf hingewiesen worden war, ohne ihn verhindern zu können.
    In Lisson Grove erkundigte Pitt sich bei Stoker nach dem Stand der Dinge, erledigte einige dringende Angelegenheiten und verließ dann das Büro erneut, um mit einer Droschke zu Blantyres Dienststelle zu fahren. Trotz seines schweren Verlustes hatte sich dieser entschieden, seine Arbeit fortzusetzen. Da sich der Besuch Herzog Alois’ nicht aufschieben ließ, gab es Dinge zu organisieren, galt es Einzelheiten zu regeln, und dafür eignete sich Evan Blantyre mit seiner gründlichen Kenntnis Österreichs und seiner erklärten Liebe zu jenem Land bestens. So manchem, der selbst nahe Angehörige verloren hatte, würde es angesichts dieser Sachlage

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