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Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Titel: Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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entlang, ging dann erneut auf Hände und Knie nieder und richtete den Blick auf die andere Seite. Niemand war zu sehen. So dicht wie möglich an den Boden gedrückt, kroch er rasch unter der Wagenkupplung hindurch, ließ sich dann auf der anderen Seite des Bahndamms die Böschung hinab ins Unterholz rollen und richtete sich wieder auf.
    Wohin mochte sich der Täter gewendet haben, nachdem er seinen Schuss abgegeben hatte? Wahrscheinlich hangaufwärts, weil er von dort oben den Zug nach wie vor sehen und zugleich erkennen konnte, ob ihm jemand folgte. Falls er dazu eine leichte Mulde aufgesucht hatte, würde ihn das vor den Blicken verbergen, aber auch seine Sicht behindern, außerdem wäre er in dem Fall im Nachteil, wenn ein Verfolger den Hügel ein Stück höher erstieg als er.
    Wie lange mochte er den Zug beobachten, um sich zu vergewissern, dass er den richtigen Mann getroffen hatte?
    Pitt verwünschte sich, weil er Stoker nicht gesagt hatte, die anderen sollten so tun, als seien sie entsetzlich aufgeregt, damit der Schütze annahm, dass Alois tot sei. Jetzt war es zu spät. Vielleicht war Stoker ja auch von selbst darauf verfallen.
    Pitt schob sich durch dichtes Gestrüpp voran und sah dabei, dass er auf dem feuchten Boden Fußspuren hinterließ. Dann musste es auch irgendwo Spuren des anderen geben. Sofern es ihm gelang, dessen Fährte zu finden, konnte er ihm folgen. Das aber musste dem Schützen ebenfalls bewusst sein.
    So rasch er konnte und möglichst leise arbeitete sich Pitt bis zu der Stelle vor, von der aus der Schuss seiner Vermutung nach gekommen sein musste. Er hielt den Blick auf den Boden gerichtet, um nicht auf herabgefallene Zweige zu treten, die ihn durch ihr Knacken verraten hätten, oder sich in den langen Ranken der üppig wuchernden Brombeersträucher zu verfangen. Hin und wieder hob er den Blick, sah aber nichts als Unterholz, Gestrüpp und Baumstämme mit feucht schimmernder Rinde – teils Birken, teils Schwarzpappeln. Dazwischen standen Haselnusssträucher und hier und da eine Erle.
    Einmal sah er sich um. Von dem Zug war nur noch die Lokomotive zu sehen, die wenige Schritte vor dem riesigen Heuwagen zum Stehen gekommen war. Ein halbes Dutzend Männer bemühten sich, die Strecke frei zu machen, wozu sie das Fuhrwerk, das sich zwischen den Schienen verkeilt hatte, entluden, um es fortschieben zu können. Das Heu türmte sich neben dem Bahndamm zu einem riesigen Berg. Er sah, dass das Fahrzeug schief hing. Vermutlich war eins der Räder zerbrochen oder hatte sich gelöst. Doch nein, in dem Fall hätte man es sicher längst wieder angebracht. Würde der Zug weiterfahren, sobald das Hindernis beseitigt war, auch wenn Pitt noch nicht zurückgekehrt war? Würde Stoker sich darum kümmern? Oder der Herzog?
    Pitt blieb stehen und lauschte, ob er vor sich etwas hören konnte. Wie lange würde der Schütze warten? Sicher rechnete er damit, dass ihm jemand folgte. Auch wenn er Pitt möglicherweise nicht durch sein Zielfernrohr gesehen hatte, würde er doch wohl vermuten, dass ihm jemand auf den Fersen war. Warum hatte er nicht auf ihn gefeuert, als er am Bahndamm eine Weile kaum Deckung hatte? Hatte er sich da noch auf die Vorgänge im Zug konzentriert?
    Pitt hörte nichts außer Wassertropfen, die fortwährend von den Zweigen auf das halb vermoderte nasse Laub des Vorjahrs fielen.
    Gab es einen Wasserlauf in der Nähe? Ja: Ein Stück weiter unten entdeckte er ein Rinnsal. Dort konnte man seine Fährte verschwinden lassen. Was würde ein kluger Mensch tun? Er würde deutlich erkennbare Spuren bis zu dem Rinnsal hinterlassen und dann ein beliebig langes Stück durch das Wasser gehen, wo er keine hinterließ, um dann das Rinnsal an irgendeiner Stelle wieder zu verlassen. Vielleicht würde er dort sogar eine falsche Fährte legen, zum Wasserlauf zurückkehren und ihn schließlich entweder weiter oben oder weiter unten endgültig verlassen, möglicherweise sogar auf derselben Seite, auf der er hineingegangen war.
    Wie mochte der Täter in diese abgelegene Gegend gekommen sein, und auf welchem Weg würde er sie wieder verlassen wollen? Auf keinen Fall mit der Bahn und wohl kaum per Kutsche – jedenfalls nicht die letzten Kilometer. Zu Pferd. Das war die naheliegende Möglichkeit – in dieser Gegend vielleicht sogar die einzige und auf jeden Fall schneller und einfacher, als die ganze Strecke zu Fuß zurückzulegen.
    Wo aber befand sich sein Pferd? Er musste es irgendwo angebunden haben, damit er nicht

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