Mord in Thingvellir
lässt den Kopf hängen.
»Was willst du eigentlich von mir?«, murmelt sie.
»Zuerst will ich, dass du mir die Wahrheit über deine Verbindung zu Eddi Event-Ratte sagst. Dafür verzichte ich darauf, deinen Vorgesetzten die Aufnahme von diesem nächtlichen Abenteuer zu zeigen.«
»Okay. Aber ich bin jetzt nicht in der Stimmung dafür.«
»Warum nicht?«
»Ich bin müde und unausgeschlafen und habe hämmernde Kopfschmerzen.«
»Mit Sicherheit nicht zum ersten Mal. Erzähl mir etwas über Eddi.«
»Was willst du wissen?«
»Warum hast du den Kontakt zu ihm gehalten, nachdem ihr in die Stadt gekommen wart?«
»Wie könntest du das verstehen?«
»Probier’s doch mal.«
Sie zögert. Aber fragt zum Schluss:
»Weißt du, wie es ist, allein auf der Welt zu sein?«
»Ich denke schon.«
»Eddi war der Einzige, mit dem ich reden konnte, nachdem Papa und Mama gestorben waren. Alle anderen haben so getan, als gäbe es mich nicht, auch Ási, der hat nämlich immer nur gearbeitet.«
»Hmmhmm.«
»Eddi fand mich toll. Bei ihm habe ich mich immer wohl gefühlt.«
Thórdís schaut auf.
»Eddi war der Erste und Beste«, fügt sie hinzu und lächelt herausfordernd. »Er ist immer noch der Allerbeste.«
»Bist du nicht schon viel zu alt für ihn?«
»Ich werde nie zu alt für Eddi.«
»Ach nein? Er missbraucht immer noch kleine Mädchen.«
»Wie dein Vater«, antwortet sie. Und grinst boshaft.
»Außerdem steckt Eddi auch bis über beide Ohren im Rauschgifthandel.«
»Davon weiß ich nichts.«
»Wusste Ásleifur von deiner Beziehung zu Eddi?«
»Ási weiß nur das, was er wissen will, mehr nicht.«
»Du warst doch noch gar nicht volljährig!«
»Ich war dreizehn, als dein Vater die ersten Fotos von mir gemacht hat.«
Thórdís ist stur. Und hält dicht. Ich bekomme keine weiteren Informationen aus ihr heraus. Egal was ich probiere.
»Du wiederholst dich ständig«, sage ich schließlich genervt. »Wie eine gesprungene Schallplatte.«
»Und du fragst wie eine gesprungene Schallplatte.«
Ich gebe auf. Sage, sie soll gehen.
»Und was ist mit meinen Fotos und der Kamera?«
»Du kannst den Kram in ein paar Tagen haben.«
»Nein, jetzt.«
»Ich muss die Bilder erst durchsehen. Bevor ich sie weggebe.«
Thórdís tritt unsicher von einem Fuß auf den anderen.
Mir geht dieses Hin und Her auf den Keks. Stehe auf. Gehe zu ihr. Halte mit beiden Händen ihren Kopf fest. Küsse sie frech. Obwohl sie versucht, sich zu entziehen.
»Schönen Dank für die Nacht«, sage ich kalt. »Und jetzt geh nach Hause und schlaf dich aus!«
Ihre Wangen färben sich rot vor Wut. Sie schiebt sich an meinem Schreibtisch vorbei. Knallt die große Tür des Tresors zu. Dreht das Zahlenschloss ein paar Mal herum.
»Was zum Teufel machst du da?«, fahre ich sie an.
»Ich sichere mich nur ab«, sagt sie überheblich. »Du hintergehst mich nicht, so lange nur ich den Tresor öffnen kann.«
Wir stehen uns gegenüber. Wie aufgebrachte Löwinnen.
»Wut ist die Mutter aller Tränen.«
Sagt Mama.
42
Ich schließe mein Büro ab.
Gehe nach oben in die Küche. Koche mir einen ultrastarken Espresso. Tiefschwarz. Schütte mir eine Tasse rein. Und noch eine.
Die einzige hundertprozentige Methode, das Schlafbedürfnis über Bord zu werfen.
Gehe dann unter die brennend heiße Dusche. Schäume den Schweiß weg.
Unter dem prasselnden Wasserstrahl kehren unweigerlich die schönen Erinnerungen an unsere nächtlichen Liebesspiele zurück.
Thórdís war die zwei Nächte wert.
Danach gehe ich hinunter. Um mich um die ersten Pflichtveranstaltungen des neuen Tages im Büro zu kümmern. Lese meine E-Mails. Höre den Anrufbeantworter ab. Und die Mailbox vom Handy.
Árni Geir hat auf meine Nachrichten immer noch nicht reagiert.
Verdammte Stinksocke!
Ich wiederhole meine Forderung nach einem Treffen. Sowohl per SMS als auch per E-Mail.
Das braunschwarze Monstrum in der Ecke guckt mich immer noch herausfordernd an. Wie alle ungelösten Rätsel, die mir über den Weg laufen.
Es gibt hundert Ziffern auf der runden Scheibe des Zahlenschlosses. Von null ganz oben auf der Scheibe bis neunundneunzig.
Welche drei dieser hundert Zahlen hat Karl Blómkvist benutzt, um den Tresor zu öffnen? Und in welcher Reihenfolge?
Ich muss an die Worte von Sinri denken:
Bei einem Zahlenschloss dieser Art gibt es bei drei Zahlen eine Million Kombinationsmöglichkeiten. Mindestens. Aber viele befürchten, dass sie ihre Geheimzahlen vergessen, weshalb sie Nummern
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