Mord ist aller Laster Anfang: Ein Mitchell & Markby Roman
Eisengitter umfriedet. Das Gitter, früher reich verziert, war nun verrostet und zerbrochen, und die Pforte, die es einst vervollständigt hatte, war nicht mehr da. Drinnen, wie in einem Korral eingepfercht, standen mehrere marmorne Grabmäler. Sie waren alle reich verziert und mußten teuer gewesen sein, doch nur ganz wenige wiesen keine Flecken oder Beschädigungen auf; bei einem oder zweien neigten sich die Seitenplatten in einem gefährlichen Winkel nach außen. Irgend jemand hatte eine Packung Chips in einen der Risse gesteckt.
Ein Blick auf die Inschriften verriet Meredith, daß dies das Freiluft-Mausoleum der Familie Markby war. Die Grabschriften boten einen Einblick in die Geschichte des Gesellschaftslebens des englischen Landjunkertum. Hier lag Amalia, Tochter von Edmond Markby und Ehefrau von Robert Lacey, Gentleman, die 1784 gestorben und mit ihrer neugeborenen Tochter begraben worden war. Wahrscheinlich ein Fall von Kindbettfieber. Dort war ein Zenotaph, ein leeres Grabmal, errichtet als Gedenkstätte für zwei Brüder, »deren Gebeine in einem fernen Land« ruhten. Ihre Namen waren Francis Markby, dahingegangen im »entsetzlichsten aller Stürme 1802 im Golf von Biscaya«, und Charles, dem auf dem Schlachtfeld von Waterloo ein Arm amputiert worden und der daran verblutet war. Meredith fühlte sich durch das leere Grabmal merkwürdig berührt. 1851 war Samuel Markby bei einem »schrecklichen Unfall auf der Eisenbahnstrecke ums Leben gekommen, ein Märtyrer des unaufhaltsam fortschreitenden modernen Zeitalters«. Hatte er auf den Gleisen gestanden und erwartet, daß der Expreß um ihn herumfuhr? Immerhin hatte man genug von ihm wiedergefunden, um ihn begraben zu können. Nur wenige Markbys schienen friedlich im Bett oder an Altersschwäche gestorben zu sein. Der letzte Pfarrer allerdings hatte gegen die gesamte Familientradition verstoßen und im bemerkenswerten Alter von vierundneunzig Jahren das Zeitliche gesegnet, nachdem er siebenundfünfzig Jahre der Hirte dieser Herde gewesen war. Und er war, wie sich herausstellte, auch der letzte Hirte. Und der letzte Markby, der auf der Grabstelle der Familie beerdigt worden war.
Meredith ging um das Grabmal von Pfarrer Henry Markby herum und blieb abrupt stehen. Es gibt nur wenige Dinge, die mitleiderregender sind als der Anblick einer toten Katze. Was im Leben Anmut, Geschmeidigkeit, Spielfreude und wache, neugierige Intelligenz ist, wird zu einem jämmerlichen Stückchen zerlumpten Fells. Diese hier hatte jedoch nichts von der lumpenähnlichen Schlaffheit einer Katze, die von einem Wagen überfahren und an den Straßenrand geschleudert worden war. Sie war steif im Tod, der Rücken gewölbt, die Vorderpfoten ausgestreckt, der Kopf zurückgeworfen und das Mäulchen weit aufgerissen, im Todeskampf erstarrt. Sie konnte noch nicht lange tot sein. Es war ein Siamkater, und das linke Ohr war eingerissen.
Meredith kämpfte gegen eine Welle der Übelkeit an, die in blinde Wut umschlug. Sie rannte durch die Lücke im Gitter zurück und hastete über die grasbewachsenen Hügel, wobei sie sich zornig umschaute und Berts krumme Gestalt suchte. Dieser gräßliche Alte! Er hatte seine Drohung wahr gemacht. Sie blieb stehen. Bert war nirgends zu sehen. In Merediths überhitztes Gehirn kehrte wieder ein wenig Vernunft ein.
Sie wußte doch gar nicht, ob Bert tatsächlich für den Tod des Katers verantwortlich war. Er würde es sicher leugnen. Die eigentliche Frage war, sollte sie zu Lorrimer gehen und es ihm sagen? Damit war nichts gewonnen. Er würde Bert verdächtigen – genau wie sie. Es würde bittere Anschuldigungen geben, der Graben zwischen den Nachbarn würde noch tiefer werden, und man könnte nichts dagegen tun. Und Lorrimer, dem es ohnehin nicht gutging, würde, wenn er seine geliebte Katze so zu sehen bekam, noch kränker werden.
Langsam ging Meredith zu den Grabmälern der Markbys zurück. Unterwegs fand sie einen kleinen, dicht belaubten Ast, der von einem der überhängenden Bäume abgebrochen war. Sie nahm ihn mit und deckte die tote Katze damit zu. Wenn Lorrimer sie fand, war es Schicksal. Doch sie wollte es ihm nicht sagen. Es war besser, wenn er glaubte, jemand habe Jerry gestohlen oder ein Fuchs habe ihn geholt. Das wäre wenigstens ein sauberer Tod. Gift war schmutzig und widerwärtig.
Rasch verließ sie den Friedhof und hoffte, Bert nicht zu begegnen – sie wußte, daß sie sich nicht würde beherrschen können. Bösartiges altes Scheusal, dachte sie und
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