Mord unter den Linden (German Edition)
und
vorspringende Säulen endeten in kunstvoll geschnitzten Voluten. Von der Decke
hing ein prachtvoller Lüster. Nur die Bilder passten nicht so recht zu diesem
erlesenen Inventar.
Otto trat näher
und betrachtete die Motive. Ein Gemälde zeigte Johannes von Nepomuk, wie er,
aus zahlreichen Wunden blutend, in die Moldau geworfen wurde. Auf einem
Bilderzyklus neben einer Flügeltür war das Martyrium der heiligen Cäcilia
dargestellt. Zuerst wurde sie in kochend heißes Wasser getaucht, dann unternahm
der Scharfrichter mehrere vergebliche Versuche, sie zu enthaupten. Bevor
Cäcilia an ihren Verletzungen starb, verschenkte sie ihren ganzen Besitz an die
Ärmsten. Ein besonders grausiges Gemälde zeigte, wie Hyppolit im Kolosseum in
Rom von einem Löwen und einem Tiger zerfleischt wurde. Seine Bauchdecke war
aufgerissen, und die Gedärme quollen heraus.
»Die Baronin
scheint eine Vorliebe für christliche Märtyrer zu haben«, bemerkte Ferdinand.
Moses
vergewisserte sich mit einem Seitenblick, dass Otto nicht zuhörte, und
flüsterte: »Oder sie liebt den Schmerz. Manche Menschen weiden sich an dem Leid
anderer oder sie stellen sich vor, selbst gequält zu werden. Dabei rieseln
ihnen wohlige Schauer des Entzückens über den Rücken, und sie stöhnen vor
Ekstase. Das schreibt zumindest der Marquis de Sade.«
Ferdinand errötete
und sagte schnell: »Aber wer sind die Künstler, die diese Bilder gemalt haben?
Sagen euch die Namen etwas? Also ich hab von Eric van der Furt oder Arie van
der Leegte noch nie was gehört.«
»Ich auch nicht«,
sagte Otto. »Und überhaupt: Wer malt freiwillig so entsetzliche Szenen?«
In diesem Moment
trat der Diener ein und verbeugte sich. »Wenn die Herrschaften mir bitte folgen
wollen.«
Sie durchquerten
das Eingangsfoyer und betraten einen riesigen Ballsaal. An den Wänden hingen
große Spiegel in goldenen Barockrahmen. In einigen Nischen thronten Statuen auf
brusthohen Podesten. Zu seinem Erstaunen erkannte Otto, dass alle Figuren nackt
waren. Während die Frauen riesige Brüste und ausladende Hüften hatten, waren
einige der Männer mit erigiertem Penis dargestellt. Wahrscheinlich sollten die
Statuen Fruchtbarkeit symbolisieren. Aber Fruchtbarkeit im Ballsaal?, dachte
er. Was ist das nur für ein seltsames Palais?
Der Diener führte
sie durch riesige Flügeltüren ins Freie. Der Anblick, der sich ihnen hier bot,
war großartig. Über zahlreiche kunstvoll angelegte Blumenbeete, Spazierwege,
eine Voliere mit Pfauen, eine künstliche Grotte und diverse Pavillons blickte
man auf den Großen Stechlinsee und das gegenüberliegende Ufer.
Sie folgten dem
Diener von der Terrasse in Richtung See über den sanft abfallenden Rasen. Dort,
am Ufer, lag die Baronin auf einer Ottomane, deren hölzerne Endstücke mit
goldenen Löwenköpfen verziert waren. Das satte Rot ihres Kleides brachte ihren
dunklen Teint zur Geltung. Ihre Füße steckten in zierlichen goldenen Schuhen
mit weißen Kreuzbändern. Aus einer Kristallglasschüssel naschte sie Trauben.
Auch Pralinen und Perlwein standen bereit.
Obwohl die Baronin
ihr Haar zu neckischen Glockenlöckchen drapiert hatte, konnte die Frisur über
ihr Alter nicht hinwegtäuschen. Ihre Wangen waren erschlafft, unter den Augen
hatte sie dicke Tränensäcke, und der Puder auf ihren Händen verdeckte die
Altersflecken kaum.
Als die Baronin
die drei bemerkte, blitzten ihre Augen auf. Für einen Moment erstrahlte ihre
einstige Schönheit, und man ahnte, was für eine große erotische Anziehungskraft
einst von ihr ausgegangen sein musste.
»Wenn Sie wollen,
können Sie gern ablegen«, sagte sie, während sie Moses eingehend betrachtete.
»Das Wasser ist sehr erfrischend.«
Otto hatte
eigentlich geplant, sich in aller Form vorzustellen. Stattdessen starrte er nun
zum Wasser und sah dort junge Männer und Frauen, die dort planschten und sich
gegenseitig nass spritzten. Zwar waren sie nicht nackt, aber ihre weiße
Kleidung klebte ihnen auf der Haut, und bei den Frauen zeichneten sich die
Brustwarzen deutlich ab.
»Meine Nixen wären
über neue Spielgefährten entzückt«, sagte die Baronin. »Oder neigen Sie eher zu
Wassermännern? Bei der Begleitung wäre das verständlich.« Wieder heftete sich
ihr Blick auf Moses.
Otto schluckte.
Die badenden Frauen mochten zwischen sechzehn und zwanzig Jahre alt sein.
Obwohl sie alle ganz unterschiedlich aussahen – eine hatte große Brüste und
dralle Schenkel, eine andere eine sportliche, fast schon knabenhafte
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