Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm
ein besonders lustiges Spiel ausdenken. Ein spannendes Spiel, das wir zusammen spielen können, du und ich. Da fiel mir Verstecken ein. Aber nicht irgendein Versteckspiel. Ein Versteckspiel mit Spannung. Wir müssen etwas ganz Besonderes verstecken, und wenn wir es finden, muss auch etwas ganz Besonderes geschehen.«
Papa verstummte und nahm das Gewehr von seinem Kinn. Fredrik konnte sich nicht beherrschen und drückte seine Hand auf die wunde Stelle, aber sein Vater packte seinen Arm. Dann drückte er ihm sein großes Jagdgewehr in die Hand, legte seine Finger um den Lauf der Waffe und ließ los. Das plötzliche Gewicht überraschte ihn, und er musste einen Schritt zurücktreten, um sein Gleichgewicht zu bewahren. Papa lachte. Er verhielt sich immer noch ganz ruhig und bedacht.
»Das hat schon was, ein Gewehr in den Händen zu halten. Nicht wahr? Jahrhundertelang war das Gewehr das Einzige, worauf sich ein Mann verlassen konnte. Man kann viel Spaß mit einem Gewehr haben, aber vor allen Dingen ist es ein Werkzeug. Ein Arbeitsgerät zum Überleben. Was können wir uns mit einem Gewehr beschaffen?«
Zum ersten Mal wurde eine Antwort von ihm erwartet, ihm fiel aber keine ein. Was beschaffen wir uns mit einem Gewehr? Wir? Ich doch wohl nicht, aber du, Papa. Du schießt Tiere mit diesem Gewehr. Tiere, denen du dann das Fell abziehst, die du zerlegst und verkaufst. Tiere, denen der Pelz vom Körper gerissen wird und deren Geweih, sofern sie eines besitzen, die Wohnzimmerwände der Gegend zieren. Wozu brauchen wir Tiere? Wozu brauchen wir ein Gewehr?
»Was können wir uns mit einem Gewehr beschaffen? Das weißt du nicht? Weißt du das wirklich nicht? Es ist erschreckend, dass du das nicht weißt, aber ich kann das verstehen. Du bist ein modernes Kind. Ein Kind, das nie Hunger leiden musste und immer Kleider hatte. Ein Kind, das nie hat frieren müssen. Und doch benimmst du dich den Leuten gegenüber, die dir Essen geben und dich kleiden, nicht, wie man es erwarten kann. Du bestehst darauf, uns zu blamieren. Obwohl wir nicht viel von dir verlangen.«
Papa schnalzte mit den Fingern, um zu zeigen, wie wenig er und Mama von Fredrik verlangten, und vielleicht war es ja dieses Fingerschnalzen, das die Statue in dem braunen Ledersessel zum Leben erweckte. Er hörte die Stimme, kühl und beherrscht, wagte es aber nicht, sich zu ihr umzudrehen, als die Frage gestellt wurde, ob man nicht bald fertig sei, damit sie vor dem Essen noch spielen und singen könne. Ihr Mangel an Interesse führte dazu, dass Papa seine scheinbare Ruhe verlor und sein Gesicht vorschob, sodass es nur wenige Zentimeter von seinem eigenen entfernt war. Er stank nach Schweiß. Aber er wagte nicht zu blinzeln, als ihm sein Vater endlich anvertraute, was er geplant hatte.
»Du sollst dieses Gewehr verstecken«, schrie er. »Finde ich es nicht innerhalb von fünf Minuten, dann hast du für heute Abend gewonnen. Finde ich es innerhalb von fünf Minuten, dann nehme ich das Gewehr, gehe nach draußen und erschieße diese verdammten Kaninchen, die du da draußen im
Garten hältst. Dann kann deine Mutter Kaninchen in Sahnesauce kochen, und du isst gefälligst deinen Teller leer. Damit du nie mehr vergisst, dass du dich verdammt glücklich schätzen kannst, jeden Tag ein warmes Essen zu bekommen. Falls ich das Gewehr diese Woche an keinem einzigen Abend finde, dann hast du endgültig gewonnen. Dann hattest du eine reelle Chance, und ich war großzügiger, als du es verdammt noch mal verdient hast. Hast du verstanden? Ich frage dich, ob du mich verstanden hast? Antworte mir, Junge. Antworte!«
Ja, Papa, wollte er flüstern, ohne das Grauenvolle richtig zu begreifen. Ja, Papa. Aber seine Stimme wollte ihm nicht gehorchen. Er spürte, dass es ihm warm das Hosenbein entlanglief. Mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, gelang es ihm, dem Fluss Einhalt zu gebieten. Und er bat die Götter, von denen er nicht wusste, ob sie ihm zuhörten, ein weiteres Mal darum, dass niemand etwas bemerkte, weil das dazu führen konnte, dass sein Papa rausging und seine Kaninchen sofort erschoss. Lisen, das große braune, das die Mutter der anderen drei war. Lillvit mit der rosa Zunge. Strumpan, Strumpf, wegen seiner schwarzen Pfoten so getauft, als hätte er sich Socken über seinen ansonsten gefleckten Pelz gezogen. Kelis, das weichste, das graues Fell hatte. Kelis war das kleinste und mutigste Kaninchen. Wenn Fredrik mit dem Futter kam, dann schnappte er sich stets das erste
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