Mord Wirft Lange Schatten: Mitchell& Markbys Dreizehnter Fall
geradezu simpel. Man suchte genügend Beweise zusammen, um den Halunken zu verhaften, und dann übergab man ihn der Justiz. Doch dann, ah, dann ging es erst richtig los. Jeder einzelne Beweis wurde mit mikroskopischer Akribie untersucht, und das technische Prozedere wurde mit einem extrem feinen Kamm durchsiebt. Als Polizist verbrachte man seine Nächte schlaflos mit immer wieder der gleichen Frage: Hätte ich sonst noch etwas tun können? Habe ich vielleicht etwas übersehen? Emily öffnete ihm die Tür, als er näher kam. Sie musste ihn vom Fenster aus beobachtet haben. Wie üblich nahm sie seinen Mantel, doch anstatt ihn aufzuhängen, stand sie mit dem Kleidungsstück im Arm dort und blickte ihn aufmerksam an, während er sie mit einer Maske aufgesetzter Fröhlichkeit anblickte.
»Nun«, fragte er munter.
»Was gibt es heute Abend Köstliches zu essen?«
»Schweinekoteletts«, lautete ihre Antwort.
»Und einen gedämpften Pudding.«
»Koteletts! Mein Lieblingsessen! Und einen Pudding noch dazu? Du verwöhnst mich, mein Liebes.« Er konnte ihr nichts vormachen. Er konnte ihr nie etwas vormachen. Doch sie schwieg – für den Augenblick wenigstens.
»Und warst du heute vor der Tür?«, fragte er sie.
»Beim Lebensmittelhändler, ja«, berichtete sie.
»Ich habe Tee gekauft.« Der Lebensmittelhändler war gleich an der Ecke, doch es war besser als nichts. Es war nicht richtig, dass sie eingesperrt wie eine Gefangene in diesem Haus lebte. Es war ungesund, und es konnte den Geist beeinträchtigen. Wood wurde von einem Bericht verfolgt, dem er einmal nachgegangen war. Nachbarn hatten bei der Polizei vorgebracht, dass eine Frau gefangen gehalten wurde. Als sie der Sache nachgegangen waren, hatte sich herausgestellt, dass der Fall in Wirklichkeit ganz anders und weitaus tragischer lag. Die arme Person war ein Opfer einer Geisteskrankheit gewesen und fürchtete sich, nach draußen zu gehen. Ihre Geisteskrankheit hatte einen Punkt erreicht, an dem sie nicht einmal mehr das Zimmer verlassen wollte, in dem sie lebte wie eine Einsiedlerin. Der Gestank in diesem Zimmer war unerträglich gewesen. Beim Vorschlag, es in Begleitung Woods zu verlassen, hatte sie angefangen, hysterisch zu schreien. Selbstverständlich war Emily nicht so. Sie war nicht verrückt. Doch irgendwo fing es immer an, und am Anfang war es immer harmlos.
»Ich bin froh, dass du vor der Tür warst, Liebes«, sagte er.
»Du kannst ein wenig frische Luft gut vertragen.« Sie waren beim Pudding angelangt, einer wunderbaren Kreation, leicht wie eine Feder und gefüllt mit Johannisbeeren. Emily stellte ihn voller Stolz auf den Tisch. Wood strahlte über das ganze Gesicht, als er nach dem Sirup griff.
»Ich hatte gehofft, dass du dich darüber freust«, sagte Emily.
»Du hast in letzter Zeit zu viel gearbeitet.«
»Und ich freue mich sehr darüber. Dieser Pudding würde einen Sterbenden dazu bringen, sich aufzusetzen und noch einmal darüber nachzudenken, ob er wirklich sterben möchte. Und nein, ich fühle mich gut.«
»Ich dachte, ich könnte am Montag auch zum Gericht fahren«, sagte Emily ruhig. Wood verschlug es die Sprache. Er lehnte sich zurück und stemmte den Löffelgriff auf die Tischdecke.
»Du möchtest nach Oxford fahren, mein Liebes?« Das war unglaublich.
»Wie denn? Alleine?«
»Ich habe mit Mrs. Holdsworth gesprochen. Sie möchte ebenfalls hinfahren und würde mich begleiten. Du hast doch nichts dagegen, oder? Ich denke, die Zugfahrt würde mir gefallen. Wir könnten im Zuschauerbereich sitzen, oder nicht?«
»Ja, natürlich, mein Liebes. Selbstverständlich habe ich nichts dagegen!« Mrs. Holdsworth war ihre Nachbarin, eine geschäftige, praktisch veranlagte Witwe, die Emily ein mütterliches Interesse entgegenbrachte und Emilys Vater ein Interesse ganz anderer Art. Wood hatte mit der Zeit ein gewisses Geschick entwickelt, ihre dauernden Avancen abzuwehren.
»Aber …« Wood wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte sich danach gesehnt, dass sie eines Tages das Haus verlassen und die Welt erforschen würde, sich weiter vom Haus entfernen würde als die paar Straßen ringsum – doch gleich zur Oakley-Verhandlung nach Oxford?
»Ich wusste gar nicht, dass sich Mrs. Holdsworth für spektakuläre Gerichtsfälle interessiert?«, fragte er schließlich übellaunig.
»Was auch immer ihre Gründe sein mögen«, erwiderte Emily mit gesenktem Blick,»mein Interesse ist nicht vulgäre Neugier. Es ist etwas anderes, das ich nicht
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