Mordsgefluester
Latte für nur zwei Stunden.
Als wir gerade bei Oprah’s Talkshow waren, trat eine Ärztin ein und stellte sich uns vor. Sie war Mitte fünfzig, abgespannt, und wir sahen ihr an, dass sie nur noch danach trachtete, ihre Visite fertig zu bekommen, weshalb ich gar nicht erst fragte, wieso sie nicht früher gekommen war. Auf dem Namensschild an der Tasche ihres weißen Arztkittels stand »Tewanda Hardy, M.D.« Sie prüfte meine Pupillen, überflog meine Akte, stellte ein paar Fragen und erklärte mir, dass mir die Stationsschwester eine Liste von Anweisungen mitgeben würde und ich danach nach Hause konnte. Ehe ich mehr als ein eiliges »Danke« über die Lippen gebracht hatte, war sie schon wieder aus dem Zimmer geeilt.
Endlich!
Siana holte meine Kleider aus dem Schrank und rief dann Mom und Wyatt an, um ihnen mitzuteilen, dass wir auf dem Heimweg waren, während ich mich behutsam zum Umziehen ins Bad vorarbeitete. Die Sachen, die Mom mir gebracht hatte, Hose und Bluse, waren aus einem besonders weichen, fließenden Leinen- und Kunstseidemix, der nicht an meinen Wunden schabte, die Bluse ließ sich vorn zuknöpfen, damit ich nichts über meinen Kopf zu ziehen brauchte. Sobald ich wieder richtig angezogen war, ging es mir deutlich besser, obwohl sich die Kopfschmerzen von der Anstrengung verschlimmert hatten. Ich könnte ehrlich gesagt schwer beschreiben, inwiefern es mir besser ging, aber so war es. Kleidung hat diese Wirkung auf mich.
Eine Schwester kam mit ein paar Formularen vorbei, die ich unterschreiben musste, sowie mit einer Liste von Dingen, die ich nicht tun durfte, bis die Kopfschmerzen verflogen waren, und das war so ziemlich alles. Wie man Schürfwunden versorgt, wusste ich bereits. Medikamente bekam ich keine verschrieben; gegen die Kopfschmerzen konnte ich rezeptfreie Tabletten kaufen, falls ich welche brauchte. Falls ich welche brauchte? Hatte den Angehörigen des medizinischen Berufsstandes noch niemand erzählt, wie sich eine Gehirnerschütterung anfühlt?
Natürlich musste ich in einem Rollstuhl zum Eingang gefahren werden, aber damit hatte ich keine Probleme. Siana hatte meine Plastiktüten und die Handtasche mitgenommen, als sie vorangegangen war, um ihr Auto zu holen und es zum Haupteingang zu fahren – oder Hauptausgang, je nachdem. Als sie unter dem Vordach hielt, schob die Schwester den Krankenwagen durch die doppelte Automatiktür nach draußen, und ein Schwall kalter Luft legte sich über mich.
»Ist das kalt!«, sagte ich ungläubig. »Niemand hat mir verraten, dass wir einen Kälteeinbruch hatten!«
»Heute Morgen ist eine Front über uns hinweggezogen«, erklärte die Krankenschwester hilfsbereit, als hätte ich das noch nicht selbst gemerkt. »Dabei ist die Temperatur um fünfzehn Grad gefallen.«
Normalerweise liebe ich den ersten herbstlichen Kälteeinbruch, aber normalerweise bin ich auch besser dafür angezogen. Selbst die Luft roch herbstlich und war mit dem schwachen Duft nach getrocknetem Laub behaftet, obwohl sich die Bäume noch nicht einmal zu verfärben begonnen hatten. Es war Freitag, das hieß, dass heute Highschool-Football gespielt wurde. Bald würden die Zuschauer, erstmals seit dem Frühjahr wieder in Pullovern und Jacken, zum Stadion aufbrechen. Seit ich das Great Bods eröffnet hatte, hatte ich es zu keinem Spiel mehr geschafft, und plötzlich fehlten mir die Gerüche, der Lärm und die Aufregung. Wyatt und ich müssten uns fest vornehmen, noch in diesem Jahr zu einem Spiel zu gehen, es tat nichts zur Sache, ob es College- oder Highschool-Football war.
Ich müsste eine weitere Angestellte für das Great Bods einstellen, jemand, der mich oder Lynn vertreten konnte, erkannte ich. Falls alles so verlief, wie es mir vorschwebte, wäre ich an Weihnachten schon schwanger. Mein Leben würde sich bald von Grund auf verändern, je eher, je lieber, was mich betraf.
Es war eine Wohltat, zu Siana ins Auto zu steigen und aus dem Wind zu kommen. »Jetzt hätte ich gern eine heiße Schokolade«, sagte ich, während ich mich anschnallte.
»Hört sich gut an. Ich mache uns eine, während wir auf Wyatt warten.«
Sie fuhr vorsichtig, ohne abrupte Starts oder Vollbremsungen, und so schafften wir es ohne größere Schmerzexplosionen bis zu meinem Apartment. Mein Auto parkte im Carport unter dem Vordach, woraus ich schloss, dass Mom etwas arrangiert hatte, um mein Auto vom Parkplatz des Einkaufszentrums zu holen, während sie meinen Schlüsselbund gehabt hatte. Am Vorabend hatte
Weitere Kostenlose Bücher