Mordswald - Hamburgkrimi
Lebtag nicht."
Die arme Frau war ganz aus dem Häuschen.
"War Herr Hinrichsen denn am Sonntag irgendwie anders
als sonst?", fragte Max geduldig. "Oder an den Tagen davor, falls Sie
ihn da gesehen haben?"
Frau Meyer schüttelte unablässig den Kopf, weniger als Geste
des Verneinens als des Unglaubens. "Nee, der war wie immer." Sie sah
nachdenklich zur mittleren Wohnungstür, die Max gerade hinter sich
abgeschlossen hatte. "Ein bisschen aufgeregt war er vielleicht, aber ich
dachte, das läge an den Pferden."
Max sah sie erstaunt an. "An den Pferden?"
"Ja, die Pferde, die sie jetzt im Wald haben, für die
Holzarbeit oder so. Hat dieser neue Förster eingeführt, dieser junge
Spund", fügte sie erklärend hinzu, als Max sie weiterhin fragend
anschaute. "Niels kannte das ja gar nicht, und deshalb war er ziemlich
aufgeregt, als er die Tiere das erste Mal gesehen hatte."
Max dachte an die beiden Pferde, die er gestern im Wald
gesehen hatte. Besonders aufgeregt war ihm Niels Hinrichsen nicht vorgekommen,
aber andererseits kannte er den Mann auch nicht. "Hat er denn am Sonntag
von den Pferden erzählt?"
Frau Meyer dachte nach. "Nee, eigentlich nicht. Ich hab
gemerkt, dass er ganz zappelig war, er konnte gar nicht richtig stillsitzen und
wollte gleich wieder raus in den Wald, und da hab ich mir gedacht, dass er wohl
nach den Pferden sehen will. Obwohl die doch bestimmt nicht am Sonntag
arbeiten."
Max nickte nachdenklich, dann bedankte er sich und
verabschiedete sich. Er hatte sich bereits zum Gehen gewandt, als die Nachbarin
ihm hinterherrief, in welchen Krankenhaus Niels denn läge.
"In Eppendorf."
"Eppendorf!" Aus ihrem Mund klang es, als kämen nur
die hoffnungslosen Fälle in die Universitätsklinik und als sei Niels
Hinrichsens Todesurteil damit quasi schon unterschrieben.
13
M ittwochmorgen um zehn Minuten
nach acht saß Lina Svenson gähnend an ihrem Schreibtisch, hielt sich an ihrem
zweiten Becher Kaffee fest und sah dem Computer beim Wachwerden zu. Manchmal
wünschte sie, sie selbst könnte auch einfach per Knopfdruck eingeschaltet
werden. Aber dann bräuchte sie immer jemanden, der den Knopf drückte, und die
Vorstellung, dass jemand anders darüber entscheiden könnte, wann sie aufwachte,
verabscheute sie zutiefst.
Sie schüttelte den Kopf. Auf solche schwachsinnigen Gedanken
kam sie auch nur morgens im Zustand der Scheinwachheit. Sie schaute auf die
Uhr. Fünfzehn Minuten nach acht. Franziska Leyhausen hätte um acht Uhr hier
sein müssen, aber bis jetzt hatte der Pförtner noch nicht angerufen, um sie
anzumelden. Lina und Alex sollten sie heute noch einmal vernehmen, diesmal in
einem Vernehmungszimmer mit Video- und Audioaufnahme. Alex hatte schon einmal
den Kopf durch die Tür gesteckt und gefragt, ob Lina etwas von der Zeugin
gehört hatte. Hatte sie nicht.
Jetzt tauchte er erneut auf, und nachdem Lina ihm versichert
hatte, nichts von Franziska Leyhausen gehört oder gesehen zu haben, versuchte
er, die Frau telefonisch zu erreichen. Guten Tag. Dies ist der Anschluss von Franziska
Leyhausen. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht oder rufen Sie mich unter
folgender Mobilnummer an …
Das Handy lag allerdings in ziemlich kritischem Zustand in
der Kriminaltechnik und würde ihnen nichts über den momentanen Aufenthaltsort
der Frau verraten.
"Das gibt's doch nicht! Die sollte schon seit zwanzig
Minuten hier sein." Mit strengem Blick fügte er hinzu: "So geht das
aber nicht!"
Mit schlafkleinen Augen sah Lina ihren Kollegen an. "Was
pflaumst du mich so an? Ich bin pünktlich!" Als könnte sie etwas dafür,
wenn andere Leute verschlafen. Sie hatte schon genug damit zu tun, selbst
rechtzeitig aus den Federn zu kommen.
Alex riss sich zusammen. "Tut mir leid, dich meine ich
doch gar nicht. Ich schicke einen Streifenwagen hin." Er verschwand in
seinem Büro, und Lina hatte wieder ihre Ruhe.
Sie stellte den Kaffeebecher ab, zog gähnend die Tastatur zu
sich heran und meldete sich beim Polizeiserver an. Sie tippte Franziska
Leyhausens Namen ein, aber mehr als gestern Abend bekam sie heute auch nicht zu
sehen. Vierunddreißig Jahre alt, ledig, eine Festnahme vor drei Jahren im
Landkreis Lüchow-Dannenberg in Zusammenhang mit einem Castor-Transport, keine
Anzeige, keine Verurteilung. Einen Strafzettel im letzten Jahr, weil sie in
einer Tempo-Dreißig-Zone mit 37 Stundenkilometern geblitzt worden war. Mit dem
Fahrrad.
Sie lehnte sich zurück und wischte sich mit den Händen übers
Gesicht. Da konnten die
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