Mortlock

Titel: Mortlock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Mayhew

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prächtigen gewachsten Schnurrbärten und Bowlerhüten auf dem Kopf. Alle verstummten, als der Leichenwagen auf den Friedhof rollte. Mr Wiggins saß auf dem Kutschbock, und sein Zylinder glänzte in der kalten Morgensonne. Der Leichenwagen sah aus wie ein großer Sarg auf Rädern. Josie nahm an, dass der eigentliche Sarg sich im Innern befand. Alfie ging mit ernster Miene neben dem Wagen her, ohne Josie zu beachten. Er trug einen merkwürdigen, mit schwarzem Stoff umwickelten Stab in der Hand.
    Josie kannte die meisten der Trauergäste, die an ihr vorübergingen, ihr die Hand gaben und ihr Beileid aussprachen: Tänzerinnen, Muskelmänner, Komödianten und Puppenspieler. Selbst in ihren schwarzen Kleidern wirkten sie glamourös.
    »Wenn wir irgendwas für Sie tun können, Miss«, brummte ein kräftiger Bühnenhelfer, »brauchen Sie uns nur Bescheid zu sagen, das wissen Sie.«
    Josie umarmte den Riesen. Sie musste an Ernies zerfleischten Leichnam denken und seufzte. Trotz all seiner Stärke hatte er gegen den Ghul nichts ausrichten können.
    Gorsefields Yards war ein schäbiger, trostloser Friedhof, rundum eingeschlossen von heruntergekommenen Häusern, die aussahen, als würden sie jeden Moment in sich zusammenfallen. Zwei kahle Silberbirken hielten neben dem Tor Wache, die skelettartigen Zweige über die Gräber gebreitet, und in einer Ecke des Friedhofs stand eine kleine Kapelle, schwarz vom Ruß und Dreck, der in der Luft hing. Ein Schauer überlief Josie, als sie die mächtige, knorrige Eibeerblickte, die sich neben der Kapelle erhob und den halben Friedhof in Schatten tauchte.
    Der Leichenwagen hielt an, und Alfie und Wiggins traten zur Seite, als mehrere muskelbepackte Akrobaten in eng sitzenden Anzügen sich bereit machten, den Sarg zu tragen. Rumpelnd wurde er aus dem Leichenwagen gerollt. Wie betäubt folgte Josie den Theaterleuten, die den Sarg zur Kapelle trugen. Sie sah, wie Wiggins an den Kranzschleifen zupfte und mit dem Unterarm seinen Zylinder polierte, und verspürte eine Woge der Dankbarkeit. Er hatte sich große Mühe gegeben, um dafür zu sorgen, dass Cardamom ein anständiges Begräbnis bekam. Sie verstand, warum die Leute ihn respektierten.
    Plötzlich erschien ein Stück hinter der Gruppe, die dem Sarg folgte, ein vertrautes Gesicht. Josie erstarrte.
    Groß und hager stand er hinter einem verwitterten keltischen Kreuz. Ein Wust grauer Haare quoll unter seinem Hut hervor, und sein breiter heruntergezogener Mund war von einem zauseligen Bart umrahmt. Dichte Brauen hockten wie Tausendfüßler über den großen traurigen Augen.
    Josie hob die Hand und sah sich suchend nach Alfie oder Gimlet um, doch Wiggins nahm sie am Arm, um sie zur Kapelle zu führen. Als sie sich umdrehte, war der Mann verschwunden.
    Die Kapelle war ebenso schäbig und vollgestopft wie der Friedhof, auf dem sie stand. Mit leiernder Stimme hielt der Pfarrer seine Predigt. Würde Cardamom einen Platz im Himmel bekommen? War er ein guter Mann? Josie hätte ihn niemals laut kritisiert, aber das, was sie gehört hatte, verunsicherte sie. Sie dachte an ihren Vormund, wie er auf der Bühne Tauben aus seinen Händen auffliegen ließ, wie erlächelnd einem kleinen Jungen einen Penny aus dem Ohr zauberte. Tränen stiegen ihr in die Augen. Dann sah sie ihn bleich und ausgemergelt vor sich, an sein Bett gefesselt. Nein, er war kein Dieb, und ein solches Ende hatte er nicht verdient, da war sie ganz sicher.
    Nachdem sie die Kapelle wieder verlassen hatten, sah Josie zu, wie der Sarg in die Erde hinabgesenkt wurde. Nun war er fort, der Große Cardamom. Sie warf eine Handvoll Erde in das Grab. Die Trauergäste defilierten vorbei, und immer wieder prasselten ein paar Erdbrocken auf den Sargdeckel.
    Die meisten waren schon gegangen, als eine eindrucksvolle schwarze Kutsche auf den Friedhof rollte. Sie trug ein Wappen mit einer Krähe, die in der kalten Wintersonne blutrot leuchtete. Der Fahrer, dessen Gesicht wie aus Stein gemeißelt wirkte, sprang vom Kutschbock und öffnete den Wagenschlag.
    Josie erstarrte, als sie eine große weibliche Gestalt aussteigen sah, in einen langen schwarzen Mantel mit Kapuze gehüllt. Gimlet stellte sich neben Josie, als die Frau näher kam und auf der anderen Seite des Grabes stehen blieb. Ihr Gesicht war im Schatten der Kapuze nicht zu erkennen.
    »Lord Corvis hat mich gesandt, mit dem Befehl, dir nichts zu tun«, sagte die verhüllte Gestalt. Josie erkannte die Stimme – es war Tante Mag. »Er bietet dir einen