Mount Dragon - Labor des Todes
und ungebändigt auf Schultern und Rücken. Sie war so schön, daß er unwillkürlich den Atem anhielt und spürte, wie seine Wut verpuffte. »Was ist das zwischen Ihnen und Mike Marr?« fragte er. De Vaca schien überrascht. »Mit diesem Mistkerl? Seit ich hier bin, will der was von mir. Ich schätze, er glaubt, daß keine Frau seinen großen, schwarzen Stiefeln und seinem Cowboyhut widerstehen kann.«
»Sie können das aber offenbar recht gut, wie ich beim Bombenpicknick sehen konnte.«
»Stimmt. Aber er ist nicht gerade ein Mann, der eine Abfuhr locker wegstecken kann. Man darf sich von seinem blöden Grinsen nicht darüber hinwegtäuschen lassen, daß er in Wirklichkeit ein ganz brutaler Bursche ist. Sie haben ja gesehen, wie er mir im Fiebertank den Gewehrkolben in den Bauch gerammt hat. Um ehrlich zu sein, Mike Marr hat etwas, das mir echt Angst einjagt.« Sie strich sich mit einem Finger die Haare aus dem Gesicht. »Na los, lassen Sie uns arbeiten.« Carson atmete tief durch. »Okay. Dann sehen Sie sich einmal diese Liste hier durch, und sagen Sie mir, ob ihnen noch weitere mögliche Gründe für das Fehlschlagen unseres Experiments einfallen.« De Vaca setzte sich auf einen Stuhl neben dem seinen, und Carson schob ihr das PowerBook hinüber. »Mir fällt tatsächlich etwas ein«, sagte sie, nachdem sie Carsons Liste gelesen hatte. »Und was wäre das?« De Vaca fing an zu tippen:
Möglichkeit 5: Virenmaterial kontaminiert mit anderem X-FLU-Virenstamm oder Plasmidfragmenten. Konsequenz: Virenmaterial noch einmal reinigen und die Ergebnisse überprüfen.
»Wieso glauben Sie, daß das Virenmaterial kontaminiert gewesen sein könnte?« fragte Carson. »Es ist eine Möglichkeit.«
»Aber wir haben das Material doch mittels Gel-Elektrophorese überprüft. Es war sauberer als ein Witz, den der Papst erzählt.«
»Ich sagte ja bloß, daß es eine Möglichkeit wäre«, wiederholte de Vaca. »Man kann auch der besten Maschine nicht blind vertrauen. Die verschiedenen Stränge von X-FLU sind sich verdammt ähnlich.«
»Okay, okay«, seufzte Carson. »Aber zuerst möchte ich Burts Kartierung des X-FLU-Plasmids noch einmal genau durchgehen. Ich kenne seine Notizen zwar fast schon auswendig, aber ich will sie mir zur Sicherheit trotzdem noch einmal anschauen.«
»Ich helfe Ihnen dabei«, sagte de Vaca. »Vielleicht finden wir gemeinsam etwas heraus, was Ihnen bisher entgangen ist.« Schweigend fingen sie zu lesen an.
Roger Czerny lag auf seinem Bett in der Quarantänestation und sah hinüber zu BrandonSmith, die auf dem Bett gegenüber mit dem Rücken an der Wand lehnte und ihr übliches verdrießliches Gesicht zog. Er haßte ihren Anblick aus tiefster Seele, mehr, als er jemals in seinem Leben einen Menschen gehaßt hatte. Er verabscheute ihren fetten Körper in dem blauen Schutzanzug, haßte den sarkastischweinerlichen Ton ihrer Stimme, ja, er haßte sogar das Geräusch ihres Atems und das ständige Gewimmer, das leise durch die Sprechanlage an seine Ohren drang. Czerny war wütend, daß er die Quarantänestation mit einer Frau teilen mußte, die möglicherweise für seinen Tod verantwortlich sein würde. Eine so wohlhabende Firma wie GeneDyne hätte doch wirklich zwei Räume für solche Zwecke bauen können, oder nicht? Warum mußte man ihn mit dieser fetten, häßlichen Frau zusammensperren, die ihm permanent auf die Nerven ging? Darüber hinaus bekam er ihre sämtlichen körperlichen Funktionen mit: wie sie aß, wie sie schlief, sogar wie sie ihren Kotbeutel ausleerte. Es war einfach unerträglich. Als wäre alles hier nicht schon kompliziert genug. Essen oder Pinkeln war in dieser sterilen Umgebung alles andere als ein einfaches Unterfangen. Wenn er jemals wieder hier herauskam, würde er die Firma auf Schadensersatz verklagen - außer, man entschuldigte sich bei ihm und zahlte ihm einen dicken Bonus. Eigentlich hätte man ihm bei einem Job wie seinem einen reißfesten Anzug geben müssen. Und man hatte ihn mit der Frau zusammengesperrt, die möglicherweise seine Mörderin war. Dafür und für die ganze andere Unbill, die ihm widerfahren war, würde die Firma bezahlen müssen.
Der Gipfel der Frechheit war übrigens, daß man ihm nicht einmal die Resultate der Bluttests mitteilte, denen er sich auf der Quarantänestation regelmäßig unterziehen mußte. Ob er infiziert war oder nicht, würde er erst am Ende der viertägigen Quarantäne erfahren. Wenn man ihn gehen ließ, dann waren die Tests negativ gewesen.
Weitere Kostenlose Bücher