Mount Maroon
voraussichtliche Flugzeit ist mir leider nicht bekannt.“
- „Und wie finden wir den Weg?“
Die Nacht war zwar noch immer wolkenlos, so dass die Sicht sehr gut war, aber der Orientierung half das nur bedingt.
- „Ich gebe zu, das ist etwas schwierig. Bedauernswerter Weise verfügen wir über kein GPS. Wir Hobbypiloten fliegen meist ohnehin nach Sicht, aber das ist bei Nachtflügen so eine Sache … Eigentlich benötigt man dafür auch eine besondere Lizenz.“
So wie Luther das sagte, war Peter klar, dass er keine hatte.
- „Wir versuchen es mit einer Mischung aus Koppelnavigation und terrestrischer Kursbestimmung. Und genau da kommt dann der Copilot ins Spiel. In der Tasche hinter deinem Sitz sind jede Menge Karten, dazu ein Block, Lineale und Zirkel. Wir bestimmen unseren Kurs durch die Entfernung und den Winkel. Dazu haben wir die jeweilige Geschwindigkeit. So können wir errechnen, wann wir am Mount Maroon eintreffen. Wenn wir also gelegentlich mal auf die Uhr sehen.“
Peter maß die Entfernung zwischen Raleigh und dem Laboratory mit 526 Kilometern und die Richtung mit 116,85 Grad. Die Flugzeit würde bei der von Luther angegebenen Durchschnittsgeschwindigkeit etwas über zwei Stunden betragen. Durch die Identifizierung markanter Orte, die sie überfliegen mussten, wollten sie ihren Kurs überprüfen. Der erste Anhaltspunkt war der Ohio River, aber da sie ihn nur kreuzten, war der Hinweis nur vage. Eine echte Landmarke bot Madisonville und hinter Bowling Green kreuzten sie den Highway 65. Wenn sie später den Dale Hollow Lake links liegen ließen, konnten sie Knoxville kaum noch verfehlen. Luther wollte es vermeiden, sich im jeweils zu passierenden Luftraum an- und abzumelden und flog daher entsprechend tief. Der Höhenmesser zeigte eine Flughöhe von 1.960 Fuß, was etwa 600 Metern entsprach. Wenn sie die Appalachen erreichten, mussten sie einiges zulegen, aber für Illinois und das westliche Kentucky reichte es. Man glitt 300 bis 400 Meter über Felder und Dörfer dahin und man hatte wirklich nicht den Eindruck mit über 200 Kilometern pro Stunde zu fliegen, wie es die Anzeige kundgab. Luther wirkte entspannt, was in Anbetracht dessen, was hinter ihnen lag und dem, was ihnen noch bevorstand, völlig unangemessen war. Doch als passionierter Flieger blickte er aus einer entrückten Distanz auf den Boden der Tatsachen. Sorgen und Ängste schrumpften damit auf das Maß der Puppenhäuser und Spielzeugautos unter ihnen. Luther hatte auch wieder zu reden begonnen, erzählte Peter von seinen Flugabenteuern, von schräg verlaufenden Wolkenfeldern, die einem einen falschen Horizont vorgaukelten oder von Seitenwinden, die ihn auf eine lang gezogene Kurve zwangen, obwohl er schwören hätte können, schnurstracks geradeaus zu fliegen. Nachtflüge hatten ihre besonderen Tücken. Ein Freund hatte ihm erzählt, er habe einmal das Glitzern der Sterne nicht mehr von den Lichtern am Boden unterscheiden können, weil er die Horizontlinie nicht erkennen konnte. Heute blieb ihnen Derartiges erspart, denn der Himmel war wolkenlos und der Wind gefiel sich als laues Lüftchen. Sie waren gut in der Zeit. Die Sonne würde erst in einigen Stunden aufgehen. Bis dahin wären sie längst am Mount Maroon.
- „Wir landen auf der Wiese vor dieser Schlossfassade, dem Verwaltungstrakt, gehen rein und schauen uns um. Da muss es irgendwelche Akten und Berichte geben. Bis die gemerkt haben, was los ist, sind wir schon wieder weg. Ein Kinderspiel.“
- „Ist die Strecke lang genug?“
- „Für eine Landung? Ja, das reicht allemal. Ich schätze das sind mehr als 180 Meter.“
- „Und wie willst du da wieder starten? Mir war so, als hätten wir eben einen deutlich längeren Anlauf benötigt.“
- „Ja, ja, da kam es ja nicht drauf an. Es gibt einige Möglichkeiten, die Startlaufstrecke zu verkürzen. Normalerweise braucht man mindestens 300 Meter, aber ich werde die Maschine, bevor wir losfahren, auf Touren bringen, einen Kavaliersstart hinlegen. Und wenn du dir den Plan ansiehst …“
Luther beugte sich zu Peter herüber und deutete auf die entsprechende Stelle.
- „Hier fällt das Gelände steil ab. Da ist sogar offenes Gestein zu sehen, ein Felsabbruch. Wir schießen also über diese Klippe hinaus und in dem lang gezogenen Tal hier kann ich die Maschine auffangen …“, Luther sah zu Peter hinüber, der deprimiert aus dem Fenster blickte. Zur Beruhigung fügte er hinzu: „Vielleicht haben wir ja auch Gegenwind. Das
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