Mr Nanny
Schlafzimmer und ein kleines Gästezimmer über der Garage. Im Wohnzimmer standen mehrere bequeme, grün karierte Sofas, und daneben befand sich eine saubere kleine Küche, an die sich ein Esszimmer anschloss. Meine kleine Zuflucht lag nach hinten, zum Bach und zu der bergigen, mit Tannen beschatteten Anhöhe und besaß einen offenen Kamin. Kathryn lud mich direkt vor dem Haus ab und brauste dann in ihrem Jeep davon. Es war kurz vor dreiundzwanzig Uhr, und ich war ein wenig beschwipst. Leicht schwankend stand ich da und blickte zum unendlichen Sternenhimmel empor. In New York verhinderten die hohen, beleuchteten Wolkenkratzer, dass man etwas vom Nachthimmel sah. Ich ließ mich in einen einsamen Liegestuhl sinken, der auf der Veranda stand, und legte eine graue Decke über meine Knie.
Dann lehnte ich mich zurück, die Hände zwischen die Oberschenkel geschoben. Die Naht im Schritt meiner Jeans schabte an meiner Scham, und ich verspürte ein angenehmes Kribbeln. Ich war unruhig, unternehmungslustig. Ich wollte Party machen, so wie früher, wollte einen Joint rauchen (das hatte ich seit Jahren nicht mehr) oder mich mit einem Glas Rotwein aufwärmen. Die Nacht war kühl. Rastlos stand ich auf, lehnte mich ans Verandageländer und versuchte mit meinem warmen Atem Ringe in die Luft zu hauchen.
Ich beugte mich übers Geländer, um einen Blick auf den Bach zu erhaschen, und dabei sah ich ein rötliches Flackern aus dem Wohnzimmer kommen. Brannte es etwa? Nein, das musste der Kamin sein. Aber es passte so gar nicht zu Yvette, um diese Zeit noch ein Feuer im Kamin anzuzünden. Ich rannte ins Haus.
Und da stand er, hinter der Couch, vor dem flackernden orangeroten Licht, das dramatisch zuckende schwarze Schatten an die Wände warf. Er sah aus wie ein der Hölle entsprungener Dämon. Ich lachte.
»Was ist so lustig?«, flüsterte er.
»Du, wie du da vor dem Kaminfeuer stehst. Du siehst aus wie der Teufel.«
»Und du siehst wunderschön aus.«
Ich rührte mich nicht. Ich konnte nicht.
»Seit wann bist du hier?« Gott, es war so schön, ihn zu sehen.
»Seit heute Abend. Frag nicht, wie, denn das kann ich dir beim besten Willen nicht sagen. Yvette hat mich reingelassen. Ich habe Dylan noch sehen können; er war noch wach. Ich hatte mir solche Sorgen um ihn gemacht.«
»Warum denn?«
»Weil er so niedergeschlagen ist. Wie in der Zeit, bevor ich zu euch kam.«
»Ach ja?«
»Ja. Deshalb bin ich hier.«
»Hat er auf dich einen niedergeschlagenen Eindruck gemacht?«
»Eigentlich nicht, nein.«
»Was soll dann das Ganze?«
»Wie gesagt, ich bin hergekommen, weil ich gehört hab, dass es Dylan nicht gutgehen soll.«
»Wer hat das behauptet?«
»Das kann ich dir leider auch nicht verraten.«
»Na jedenfalls, es ist völliger Blödsinn. Es geht ihm prima. Es freut ihn natürlich nicht gerade, dass du im Silicon Valley zu tun hast, aber er versteht es.«
»Ach ja? Ist ja interessant.« Er sah aus, als wäre ihm gerade ein Licht aufgegangen.
»So. Und wie geht’s dir, Peter? Danke, dass du meine Anrufe erwidert hast.«
»Alles, was jetzt zählt, ist, dass ich hier bin. Und ich bin froh, hier zu sein.«
»Ich auch.«
Er drehte sich um, ergriff zwei leere Weingläser und eine Flasche Rotwein, die bereits geöffnet, aber unberührt war. Ich stand wie erstarrt im Türrahmen. Oje, es würde doch nicht etwa wirklich passieren?
Er nahm mich bei der Hand, drückte sie kurz, wie im Park, und führte mich dann in mein Schlafzimmer.
»Ich hab Durst«, war alles, was ich rausbrachte. Und es lag nicht etwa an der dünnen Luft in dieser Höhe, dass meine Kehle plötzlich wie ausgedörrt war.
Er goss Wasser in eins der Gläser und reichte es mir; seine Finger ruhten dabei ein wenig länger auf meiner Hand als nötig. Ich dachte, ich müsste sterben.
»Da, trink das.« Er lächelte mich an, als wäre das alles nichts Besonderes. Als bräuchte ich keine Angst zu haben.
Ich nippte an meinen Glas, während er durchs dunkle Zimmer zum Kamin ging. Das aus dem Gang hereinfallende Licht half ihm, sich zurechtzufinden. Er stapelte ein paar Holzscheite aufeinander, knüllte etwas Zeitungspapier zusammen und zündete das Ganze an. Dann erhob er sich und schaute zu, wie das Feuer allmählich an Kraft gewann. Er stand da, eine Hand in die Hüfte gestemmt, in weißem T-Shirt und Jeans, die sich wie Samt an seinen herrlichen Körper schmiegten. Gott, der Mann war einfach atemberaubend.
Dann ging er an mir vorbei zur Tür. Ich fürchtete
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