Mr Nanny
hier draußen wohnen - aber unsere Berufe sind es, die uns an die Stadt binden.«
»Dann müssen Sie eben einen Ausgleich dafür schaffen.«
»Ich hab Sie eingestellt, oder nicht?«
»Es ist nur so, dass die Intensität dieser Stadt alle Lebensfreude aus den Kindern saugt. Und den Müttern.«
»Bei allem Respekt, was wissen Sie schon über die Mütter der Kinder?«
»Ach, jede Menge! Ich treffe sie ja dauernd - im Park, auf dem Spielplatz, vor der Schule. Sie erzählen mir alles Mögliche. Die halten mich nicht wirklich für eine ›Haushaltshilfe‹, wie Yvette oder Carolina. Die erzählen mir manchmal Sachen, die sind unglaublich.«
»Was denn zum Beispiel?«
»Na ja, zuerst mal wollen sie natürlich wissen, warum ein Mann einen solchen Job macht. Und sobald wir über diesen Punkt raus sind, sobald sie wissen, dass ich an einem Projekt mit den öffentlichen Schulen arbeite, tauen sie ganz schnell auf. Und fangen an zu reden. Sie erzählen mir von ihren Ehemännern, wie sehr sie sie hassen, dass sie nie da sind. Ich versuche die meiste Zeit, bloß zuzuhören, als würden mich die Oberflächlichkeiten, an denen sie so hängen, interessieren. Eine hat mich - ganz ernsthaft! - gefragt, ob ich es normal fände, dass der Innendekorateur hundertsiebenunddreißigtausend Dollar für die Umgestaltung des Ankleidezimmers ihres Mannes verlange.«
»Ich weiß, einfach obszön, diese Summen...«
»Mehr als obszön. Sind Sie nicht ein kleines bisschen besorgt, dass Ihre Kinder in einer solchen Umgebung aufwachsen?« Die Haare wehten ihm ins Gesicht und über den Mund, und ich hätte sie ihm am liebsten zur Seite gestrichen. Mein Gott. Wurde ich jetzt schon wie Mary Kay Letourneau, diese Lehrerin, die mit ihrem dreizehnjährigen samoanischen Schüler geschlafen hatte, dafür ins Gefängnis gewandert war und ihn hinterher geheiratet hatte? Aber dann fiel mir zum Glück ein, dass Peter nur sechs Jahre jünger war als ich, ein großer, erwachsener Mann.
»Na ja, schon, aber ich versuche, den Kindern andere Werte zu vermitteln.«
»Aber Sie sind machtlos gegen das, was sie sehen . Ich habe Dylan neulich zu einem Spielenachmittag gebracht, bei den Ginsbergs, und Sie hätten sehen sollen, zu welchen Extremen die Mutter das Personal in Sachen Hausputz trieb!«
»Was war denn?«
»Zwei Hausmädchen in weißer Tracht und ein Butler in Hemd und Krawatte waren dabei, die Fensterrahmen mit diesen langen Q-Tips zu säubern! Finden Sie, dass das eine normale Umgebung für einen Spielenachmittag ist?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Und dann kommt man in das Zimmer dieses Jungen, und er hat da diese hübsche, blauweiß gestreifte Bettwäsche, überall mit seinen Initialen bestickt, auch auf diesen gekräuselten Kissen! Seine Bücher stehen alphabetisch geordnet in den Regalen, die T-Shirts liegen gebügelt in der Kommodenschublade. Wer bügelt denn heutzutage noch ein T-Shirt, frage ich Sie?«
»Wir nicht«, beeilte ich mich zu versichern.
»Und wie viel kostet eigentlich diese Bettwäsche? Das wollte ich Sie schon längst fragen.«
»Weiß ich nicht.«
»Oh doch, das wissen Sie. Sie haben die gleiche.«
»Das verrate ich nicht.«
»Dann kündige ich.« Er machte Anstalten zu gehen.
»Jetzt warten Sie doch! Setzen Sie sich wieder hin. Okay, sie war ziemlich teuer.«
»Das ist doch krank! Für Kinderbettwäsche?«
»Dylan hat welche mit den Wilden Fußballkerlen.«
»Oh, wow. Das ändert natürlich alles. Euch Müttern geht’s doch bloß um Äußerlichkeiten, um Statussymbole. Und darum, alles genau durchzuplanen. Wie Sie mit Ihren Träumen von farbcodierten, digitalisierten Haushaltsplänen.«
Ich hasste es, dass er mich mit diesen weinerlichen Spielplatzmüttern in einen Topf warf. »Ich habe nichts mit diesen Müttern gemeinsam.«
»Ach ja?«
»O ja, Peter. Oder sind Sie anderer Meinung?«
»Nun, ich hab ein Auge für Kleinigkeiten, für Details. Deshalb bin ich auch so gut im Programmieren.« Er war so süß, wenn er mich triezte.
»Und was ist Ihnen aufgefallen?«
»Ich sehe, wie sich Ihre Körpersprache ändert. Ich sehe, wie Sie nicht mehr Sie selbst sind, wenn Sie mit denen zusammen sind...«
»Peter, die sind eine vollkommen andere Spezies.«
Er begann, ein Liedchen vor sich hin zu pfeifen.
»Sie veräppeln mich, stimmt’s? Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass Sie nicht sehen, wie wenig ich da reinpasse, dass ich ein Landei aus Minnesota bin, das versucht, sich in der Welt der Superreichen
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