Mrs Murphy 06: Tödliches Beileid
Mrs Murphy, hob die Nase und trollte sich.
Mrs Murphy hatte für Füchse nichts übrig, denn sie machten ihr die Beute streitig.
»Halt dich aus meinen Kornreihen raus«, murrte sie.
»Dir gehört nicht die Welt«, lautete die angriffslustige Antwort.
Ein einsamer Schrei ließ beide erstarren.
»Mörderisch.« Die Füchsin legte sich einen Moment flach auf die Erde, dann stand sie auf.
»Du bist zwischen einem Unwetter und einem Rotluchs gefangen. Wo ist deine Höhle?«
»Das sag ich dir nicht.«
»Du brauchst es mir nicht zu sagen, aber du solltest sie lieber schleunigst aufsuchen.« Ein dicker Tropfen platschte auf die Katze. Sie dachte über die missliche Lage nach, in der sich die Füchsin befand. »Geh in den Späneschuppen, bis das Unwetter vorbei und der Luchs weg ist. Aber mach es dir nicht zur Gewohnheit.«
Wortlos huschte die Füchsin in den Schuppen und vergrub sich in den süß duftenden Spänen, als oben der Sturm losbrach.
Die Tigerkatze lauschte mit geweiteten Augen auf den Rotluchs. Ein weiterer ferner Schrei, dem Kreischen einer Frau ähnlich, sagte ihr, dass das Wildtier in den Wald zurücklief, sein angestammtes Quartier. Weil es im Herbst so leckere Beute gab – viele Mäuse und Ratten fraßen sich fett an heruntergefallenen Körnern und den Früchten, die zum Trocknen an den Reben verblieben waren –, wagte sich der Luchs in dieser Zeit näher an die menschliche Behausung heran.
Der Wind wurde heftiger, die Bäume beugten sich anmutig. Die Feldmaus, der Mrs Murphy geduldig auflauerte, wollte trocken bleiben. Sie dachte gar nicht daran, die Nase aus dem Nest zu stecken.
Als mehr Regentropfen fielen, verzog sich die Katze in den Stall. Sie kletterte die Leiter hinauf. Simon richtete seinen Schlafplatz her. Zu den Schätzen, die er um sich ausgebreitet hatte, gehörten ein fadenscheiniges Handtuch, ein einzelner lederner Reithandschuh, ein paar Zeitungsschnipsel und ein Schokoriegel, den er für einen schlechten Tag wie heute verwahrte.
»Simon, wirfst du nie etwas weg?«
Er lächelte. »Meine Mutter hat gesagt, ich bin eine Packratte, kein Opossum.«
Mit der entfesselten Wucht eines Baseballschlägers schlug der Regen an die Nordseite des Stalls. Plattgesicht landete mit abwärtsgerichteten Krallen in ihrer Kuppel. Sie blickte auf die beiden befreundeten Tiere herunter, plusterte ihr Gefieder auf, schloss dann die Augen. Sie verachtete bodenständige Geschöpfe.
»Plattgesicht«, rief Simon zu ihr hinauf, »bevor du schlafen gehst, wie groß ist der Rotluchs?«
»Groß genug, um dich zu fressen.« Die Eule lachte hohl.
»Mal ehrlich, wie groß?« Simon wollte es genau wissen.
Sie kippte den großen Kopf nach vorn, sodass die Oberseite fast unten war. »Dreißig bis vierzig Pfund, und noch nicht ausgewachsen. Schnell, blitzschnell und schlau. So, wenn ihr zwei Schleicher nichts dagegen habt, geh ich jetzt schlafen. Das wird eine abscheuliche Nacht.«
Mrs Murphy und Simon tauschten sich darüber aus, wo der neueste Biberdamm, Fuchshöhlen und der Horst eines Weißkopfadlers lagen. Dann berichtete die Katze ihm von den falschen Todesanzeigen.
»Sonderbar, nicht?«
Simon zog sein Handtuch in sein ausgehöhltes Nest im Stroh. »Menschen legen Marshmallows aus, um Waschbären zu fangen. Uns auch. Wir lieben Marshmallows. Einer von uns wird bestimmt nach dem Marshmallow grapschen. Wenn wir Glück haben, will der Mensch uns nur beobachten. Wenn wir Pech haben, gehen wir in die Falle, oder das Marshmallow ist vergiftet. Ich denke, dass ein Mensch für einen anderen Menschen ein Marshmallow auslegt.«
Mrs Murphy blieb lange Zeit sitzen, ihre Schwanzspitze schnippte sachte hin und her. »Das ist ein verflucht fauler Köder, Simon, jemandem mitzuteilen, dass er tot ist.«
»Nicht bloß ihm – allen.«
18
Zwei Tage tobte das Unwetter in Mittelvirginia, dann zog es nach Norden, um es den Yankees ungemütlich zu machen.
Harrys Vater hatte gesagt, Stürme besorgten das Stutzen der Natur. Abgesehen von ein paar heruntergefallenen Ästen hatte die Farm kaum Schaden genommen, aber auf dem Weg zu Blair Bainbridges Haus lag ein umgekippter Baum.
Am Samstag lieh sich Harry sein Tausend-Dollar-Hochdruckwaschgerät. Fröhlich rückte sie dem alten grüngelben John-Deere-Traktor, ihrem Transporter, dem Dungstreuer und, in einem Anfall von Reinigungsmanie, dem gesamten Innenleben des Stalls zu Leibe. Nicht eine Spinnwebe blieb übrig. Die drei Pferde sahen von der fernen Weide zu. Sie
Weitere Kostenlose Bücher