Muenchen Blues
erschossen. In Uptown Munich sitzt eine Firma, die Geld ohne Ende aus der Schlachthofspekulation ziehen will. Irgendwo dazwischen sitzt du mit deiner Klitsche als kleiner Kollateralschaden. Aber ich verspreche dir, Julius, dass ich das auch noch hinkriege.
Julius kratzte sich zweifelnd am Kinn.
– Hör mal zu, du Schlaffsack, schrie ich. Wegen dir sitze ich in dieser Scheiße drin. Da ist es doch wohl nicht zu viel verlangt, wenn du dich auch mal für andere reinhängst. Wo sind wir denn? Wie sähst du aus, wenn alle so reagieren würden wie du?
Ich war aufgesprungen. Julius streckte die Arme aus, um mich abwehren zu können.
– Lass ihn in Ruhe, sagte Hinnerk.
– Okay. Ich häng mich rein, versprach Julius.
– Gut, sagte ich. Selbst wenn ihr von mir nichts mehr hört, stellt das in zwei Tagen online.
– Und du, fragte Hinnerk.
– Mach das Pack fix und fertig oder lande im Knast.
– Geht’s auch mal eine Nummer kleiner bei dir?
– Für Defätismus habe ich kein Ohr.
Ich schwang mich in meinen Bus und fuhr zurück.
35
Ich hatte noch genug Zeit, mich in aller Ruhe warm und kalt abzubrausen und in frische Wäsche zu packen. Man wollte ja einen guten Eindruck machen. Da ich zu Fuß zum Marienplatz hinüberging, nutzte ich die Gelegenheit, mich in Münchens feinster Parfümerie mit dem definitiv teuersten Herrenduft einzusprühen, den sie in einem Probierfläschchen bereitgestellt hatten. Eigentlich konnte nichts mehr schief gehen.
Wie immer, wenn ich nervös war, kam ich deutlich zu früh an. Alkohol verbot ich mir im Café oben strikt, weil ich Emma nicht mit einer Bierfahne gegenübersitzen wollte. Ich bestellte einen Espresso. Damit vergab man sich nichts. Auf dieser Basis konnte man gut weitermachen oder auf anderes überwechseln.
Emma betrat das Café. Ich schoss leider etwas tölpelhaft vom Stuhl hoch, bekam ihn aber gerade noch vor dem Umkippen zu fassen. Emma bestellte Milchkaffee und Streuselkuchen. Die Kuchenpalette war groß, aber eine Art voralzheimerscher Gehirnfraß lähmte den Stirnlappen da oben sovollständig, dass von der Zentrale aus keine Entscheidung mehr über Erdbeer-, Zwetschgen-, Prinzregenten- oder sonstige Kuchen durchgegeben werden konnte. Immerhin gelang mir der schöne Satz, dass ich genau dasselbe auch gerne hätte.
– Sind Sie nervös?, fragte Emma.
– Ehrlich gesagt, ja.
Damit war viel Eis gebrochen. Ich riss mich am Riemen, um hier keine Mitleid erregende Sabbernummer hinzulegen, und erzählte ihr von meiner Geschichte das, was sie wissen musste, um mein Interesse an ihren Informationen zu verstehen. Allerdings bot ich ihr das Du an, das sie ohne Zögern annahm.
– Mir wäre sehr geholfen, wenn du mir einen Hinweis geben könntest, wer da in die Geschäftsführung der GRE kommen soll. Das ist der Knackpunkt.
– Da erwartest du ja viel von mir. Die da hinzuhängen. Und wenn das nun die Firma wäre, bei der ich angestellt bin?
– Bist du das denn nicht?
– Nein. Sie haben mich über eine Zeitarbeitsfirma engagiert. Das ist limitiert. In zwei Monaten bin ich dort wieder weg. Gott sei Dank!
– Inwiefern?
– Jeder beharkt jeden. Vor allem die Frauen.
Sie dachte nach, wer als Kandidat für die Geschäftsführung in Frage kam. Einen zwingenden Hinweis konnte sie nicht geben. So behalfen wir uns damit, dass sie mir kurz schilderte, wen Dr. Nüsslein in den letzten Wochen bevorzugt getroffen hatte. Das waren alle möglichen Typen, aber keiner, den ich vor Augen hatte. Endlich grub sie die entscheidende Information aus.
– Da war noch so ein möpselnder Mensch.
– Möpselnd?
– Na ja. Geruchsmäßig, verstehst du?
Sie hielt die Nase hoch und schnüffelte ein wenig. Erschrocken roch ich an mir.
– Ich etwa auch? Nicht gut?
– Gut schon, nur bisschen viel.
Lebensprinzipien ließen sich nicht so schnell über den Haufen werfen. Viel hilft viel, anders hatte ich das nie kennengelernt.
– Aber noch mal zu dem möpselnden Menschen.
Ich beschrieb ihr Traublinger ausführlich. Sicherheitshalber auch Hirschböck. Aber der Treffer war ganz klar bei Traublinger. Er kungelte offenbar mit Dr. Nüsslein.
Ich bezahlte und brachte Emma hinunter zur S-Bahn. Ich widerstand dem Bedürfnis, sie anzutatschen, und verhielt mich formvollendet wie Graf Harry.
– Sehen wir uns wieder?, fragte ich sie.
– Bring du erst mal deine Geschichten in Ordnung. Dann kannst du dich melden.
Beschwingt ging ich nach Hause zurück.
36
Es war noch nicht zu spät, Lilo
Weitere Kostenlose Bücher